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Die nationale Selbstgefälligkeit hätte dies einem französischen Schriftsteller nie erlaubt.

Man möchte demnach sagen, Herr Reymond würde ein Franzose pur sang sein, wenn er uns nicht so oft als guter Deutscher erschiene, und zwar möchten wir behaupten, dass er die bessern Seiten beider Nationen in sich vereinigt, und sich von ihren Schwächen hat frei zu halten gewusst.

Verfasser huldigt der Ansicht, dass die Respublica litterarum et artium sich nicht auf eine Nation beschränkt, sondern das geistige Leben aller civilisirter Völker umfasst; er ist Cosmopolit im höchsten und besten Sinne des Wortes.

„L'homme moderne complet est celui qu'émeuvent tous les phénomènes de la vie et de la société, celui qui n'est indifférent à rien, pas plus à la politique qu'à la religion, pas plus aux perfectionnements de l'industrie et du commerce qu'aux conquêtes de la science et aux merveilles de l'art, celui, en un mot, qui peut dire avec Térence: „Je suis homme et rien de ce qui est humain ne peut m'être indifférent!" Dies ist das Glaubensbekenntniss

des Verfassers.

Herr Reymond nimmt demnach in der Literatur eine vermittelnde Stellung ein; er assimilirt sich den verschiedenen Strömungen des geistigen modernen Lebens; alle wichtigen Fragen, welche die Gesellschaft auf den verschiedenen Gebieten der Religion, Politik, Literatur und Kunst bewegen, erregen seine Wissbegierde und finden in der Vielseitigkeit seines Geistes und Herzens eine verwandte Seite. Er beschäftigt sich damit zuerst als Mensch, dem nichts gleichgültig sein kann, was die Interessen der Menschheit betrifft, und dann als Künstler.

Die Wissenschaft ist ihm aber, wie wir bereits erwähnt, nicht Selbstzweck, sondern Mittel zu der grossen, erhabenen Aufgabe, durch die Macht der Wahrheit die Menschen besser und glücklicher zu machen. Er gehört der höchst achtbaren Classe von Gelehrten an, welche sich zur Aufgabe gestellt, die Resultate der Wissenschaft zu verwerthen, und sie somit zu einem Allgemeingut der Menschheit zu machen; jedoch weit entfernt, die abstracte Wissenschaft, die es nur mit dem Aufsuchen der objectiven Wahrheit zu thun hat, beeinträchtigen zu wollen; er erkennt ihr Recht und ihre Bedeutung vollkommen an: „Deux classes de savants sont nécessaires, une qui élabore les vérités, l'autre qui les propage."

Beide Geistesrichtungen, die deutsche und die französische, haben ihre vollkommene, naturgemässe Berechtigung; denn in ihnen spiegelt sich die Doppelseitigkeit des menschlichen Wesens. Der germanische Geist ist schöpferisch, bahnbrechend; er vertieft sich mit einer Art Divinationsgabe in die Geheimnisse der Natur und des Geistes, um ihre normativen Gesetze aufzusuchen: der unermüdliche Fleiss, die Gründlichkeit und Tiefe sind seine charakteristischen Merkmale. Der romanische Geist hingegen ist durchaus praktischer Natur; in den praktischen Künsten, so wie auf dem Gebiet der mathematischen Wissenschaften hat er Grosses geleistet; er versteht es meisterhaft, die Erfindungen auszubeuten und zu vervollkommnen; auf dem rein geistigen Gebiete besitzt er eine grosse Assimilationsgabe; er bringt Klarheit und Ordnung in die verwickeltsten Fragen, indem er die Gegensätze scharf beleuchtet; obgleich von Natur nicht schöpferisch, versteht er es meisterhaft, die Resultate der Wissenschaft zu verwerthen. Les Français n'inventent guère, mais ils perfectionnent, expriment et vulgarisent mieux que personne les idées qu'ils ont réussi à s'assimiler" (p. 13). Was ihm an Tiefe abgeht, sucht er durch seinen bon sens, durch Einfachheit, Klarheit und Gewandtheit zu ersetzen.

Beide Richtungen ergänzen sich in mancher Beziehung: Frankreich hat auf wissenschaftlichem Gebiet von Deutschland sehr viel zu lernen; aber Deutschland kann an praktischer Tüchtigkeit durch den geistigen Verkehr mit Frankreich nur gewinnen.

Ich bin ganz der Ansicht, dass die civilisatorische Mission Frankreichs nicht in den materiellen Waffen, nicht in Krieg und Annectirungen besteht, sondern, wie der Verfasser sagt, dans l'exemple des institutions pacifiques, libérales et progressives." Frankreich sollte im Ausland nur moralische Eroberungen machen.

Zum Schluss noch einige Bemerkungen über die Schreibweise des Verfassers.

Der Gegenstand entwickelt sich vor dem Auge des Betrachtenden wie ein von einem warmen Colorit belebtes Gemälde, das, obgleich begrenzt, dennoch weite Aussichten in die Ferne eröffnet; neben den scharfen Umrissen fehlt es nicht an feinen Nuancen, an einer aufmerksamen Zeichnung der Einzelnheiten, die den Beschauer jedoch nicht so sehr in Anspruch nehmen, dass er dadurch den Blick fürs Ganze verlore.

Man fühlt dem Büchlein an, dass es aus Vorlesungen hervorgegangen ist; der Ton der beredten Stimme klingt noch in diesen Zeilen nach. Eine eigenthümliche Frische und Wärme ziehen sich durch das Ganze, und theilen sich dem Leser auf anregende Weise mit. Verfasser hat es sehr wohl verstanden, die Aufmerksamkeit desselben zu fesseln, indem er sich nicht allein an seinen Verstand, sondern auch an sein Gemüth richtet, und an die idealen Bestrebungen des menschlichen Geistes appellirt.

Die Form, welche der Verfasser wählt, ist immer der entsprechende Ausdruck für seinen Gedanken; bei ihm trifft das Wort Buffon's vollkommen zu: Le style c'est l'homme."

So gewinnt der Ton eine grosse Mannigfaltigkeit: bald einfach und ruhig bei der Auseinandersetzung von Thatsachen; bald scharf und eindringlich bei der Beweisführung, bald erhaben und poetisch, wenn Verfasser sich zu den Regionen des Ideals erhebt.

Der Styl ist durchgehend einfach, klar und natürlich, er zeichnet sich überdies durch grosse Feinheit im Ausdruck, und durch eine aussergewöhnliche Leichtigkeit und Gewandtheit aus.

Verfasser besitzt in höchstem Grade die Kenntniss seiner Sprache; er kennt deren Geheimnisse, ist mit ihren Hülfsquellen genau vertraut und weiss dieselben mit meisterhaftem Griff für seinen Zweck auszubeuten; er ist nicht eher befriedigt, als bis er den besten Ausdruck für den Gedanken, die zutreffende Wendung für den Begriff gefunden hat. Unter der grossen Leichtigkeit birgt sich aber man möge sich nicht täuschen lassen ein tiefgehendes Sprachstudium, eine gewissenhafte Arbeit, die sich bis in die Einzelnheiten erstreckt. Darin aber besteht gerade die Kunst des wabren Schriftstellers, das Ergebniss seiner Geistesarbeit als ein mübeloses, natürliches Product erscheinen zu lassen. Seinen eigenthümlichen Reiz verdankt das Buch der schönen entsprechenden Form, in die der Verfasser seine Gedanken zu bringen gewusst hat.

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In das Detail einzugehen würde mich zu weit führen; ich mache nur noch auf einige Eigenthümlichkeiten des Styls aufmerksam.

Herr Reymond bewegt sich gern in Antithesen und sucht überhaupt das Neue und Pikante; er hat, was die Franzosen le trait nennen. In einem Gegenstande, wie der vorliegende, findet dieses Bemühen seine Berechtigung; doch erlauben wir uns den Verfasser an das französische bon-mot zu erinnern: „de ne pas avoir le défaut de ses bonnes qualités."

Die Vergleiche, welche Verfasser öfters anstellt, sind in Beziehung auf schöne, scharfe Durchführung des Bildes kleine literarische Meisterstücke; mit grosser Sorgfalt und feinem Tact verfolgt er seinen Gedanken bis in seine feinsten Nüancirungen, ohne je vom Grundton abzuschweifen. Die Idee gewinnt dadurch oft ganz neue Lichtseiten, und schillert wie ein eingefasster edler Stein in tausend Farben.

Ich verweise nur auf zwei derselben, die mir besonders gelungen scheinen, p. 94 u. 192.

Eben so meisterhaft versteht es Herr Reymond, Worte oder längere Citate ungezwungen und mit Glück anzubringen und interessante Anekdoten in die Berichte einzuflechten. Auf diese Weise wird das Interesse immer neu angeregt; die Aufmerksamkeit ermüdet nicht, sondern der Leser folgt dem Verfasser mit steigendem Vergnügen bis auf die letzte Seite; er schlägt das Buch befriedigt zu, um es später wieder zur Hand zu nehmen.

Wir sind in unserer Besprechung ausführlicher geworden als wir es beabsichtigten; wir haben uns das Vergnügen nicht versagen können, den günstigen Eindruck, den wir bei der Lecture des geistreichen Buches empfangen, genau wiederzugeben.

Möge die Schrift bei allen denjenigen, die sich für französische Sprache und Bildung interessiren, eine recht freundliche Aufnahme finden.

Möge insbesondere der Aufruf, den der Verfasser im Vorwort an die aufwachsende Generation Frankreichs ergehen lässt, bei Allen Gehör finden, die über den materiellen Bestrebungen unserer Zeit die idealen Ziele der Menschheit nicht aus dem Auge verlieren!

Berlin.

E. W.

Programmen scha u.

Rede, gehalten bei der Schulfeier von Schiller's hundertjährigem Geburtstage am 10. November 1859. Von Rector Dr. Eckstein. Progr. der latein. Hauptschule in Halle. 1860. Der Verfasser behandelt in der Rede die Frage, was die Jugend aus dieser Feier ihres Lieblingsdichters für sich gewinnen kann und soll. Er führt zu dem Zwecke zunächst das äussere Leben Schiller's in kurzen Umrissen vor, um daran zu zeigen, wie Schiller der Schmied seines eigenen Glückes gewesen durch seine unablässige Thätigkeit, wie er an seiner eigenen Bildung gearbeitet, auch namentlich an seiner sittlichen. Er hebt dann besonders den idealen Schwung des Dichters hervor und die Liebe desselben zu der Freiheit, welche ein starkes Geschlecht fordert, das sich durch Bildung selbst erst sittlich frei gemacht hat. So soll er ein leuchtendes Vorbild sein in der Empfänglichkeit für innige Freundschaft, in dem muthigen Kampfe mit der Trübsal des Lebens, in dem energischen Ringen nach sittlicher Grösse und nach geistiger Vervollkommnung, nach allem Guten, Wahren und Schönen, er der wahrhaft deutsche Mann.

Rede zur Feier des hundertjährigen Geburtstags Schiller's, von Prof. Daniel gehalten. Progr. des Pädag. zu Halle. 1860. Der Verfasser erläutert an den Dramen Schiller's, wie des Dichters ursprünglich gänzlich unklarer Idealismus sich zu dem reinen läuterte. Diese ideale Gesinnung, die ihn bisher zum Lieblingsdichter des Volkes gemacht, empfiehlt er besonders der Jugend festzuhalten, und berührt schliesslich das nähere Verhältniss, in dem Schiller zu dem Pädagogium zu Halle gestanden, welches er am 8. Juli 1803 von Lauchstädt her auf dringende Einladung des Kanzlers Niemeyer besuchte.

Ueber Johannes Rothe aus Kreuzburg. Vom Gymnasiallehrer Dr. Fedor Bech. Progr. des Gymn. zu Zeitz. 1861.

Johannes Rothe ist als Verfasser des gereimten Lebens der heiligen Elisabeth bekannt. Es ist ihm auch die in der letzten Zeit viel besprochene düringische Chronik beigelegt, so von v. Liliencron in seiner Ausgabe der

selben. Durch Mittheilung und Beleuchtung eines bisher übersehenen längeren Akrostichons beweist der Verfasser nun in vorliegender Abhandlung, dass wirklich Johannes Rothe aus Kreuzburg, Priester und Stadtschreiber zu Eisenach, dann Kaplan des Bischofs, Vicar, Domherr und Stiftsschulmeister die Chronik im Jahre 1421 vollendet hat. In einem Anhange gibt der Verf. Zusätze zu dem Programm von 1859 über das alte Passional.

Ueber die Faustsage. Vom Oberlehrer Dr. Kühne. Progr. des Gymn. zu Zerbst.

1860.

Die vorliegende umfangreiche Abhandlung bildet nur den ersten Theil der von dem Verfasser beabsichtigten Arbeit über die Faustsage. Sie beschäftigt sich damit, dem ersten Keim der Sage, wie er in den Sagen von Theophilus, Paul II., Sylvester II., Virgilius, in den frühesten Spuren von einem Glauben an einen Bund mit dem Bösen erscheint, nachzugeben und dann den geschichtlichen Kern aufzudecken. Dann aber und vorzugsweise ist es dem Verfasser darum zu thun, die überaus reiche Literatur der Faustsage nachzuweisen, und hat er sich nicht mit Angabe der Titel begnügt, sondern die Disposition der Hauptbücher sorgfältig nachgewiesen und ist auf den Inhalt genau eingegangen. Dabei ist es ihm gelungen manches Zweifelhafte aufzuklären, wie (S. 38) die vielfach bezweifelte Berliner Ausgabe von 1590 des Volksbuches, von der sich ein Exemplar auf der Zerbster Bibliothek befindet. Ausser den Faustbüchern sind auch die Wagnerbücher herangezogen. Die ganze Arbeit zeugt von grosser Belesenheit und ist ein dankenswerther Beitrag zur Faustliteratur.

De Reinmaro de Zweter. Von Oberl. B. Hüppe. Progr. des Gymn. zu Coesfeld. 1861.

In diesem Programm ist das Wenige enthalten, was wir von Reinmars Leben aus seinen Gedichten entnehmen können, den grösseren Theil nimmt eine Zusammenstellung der Ansichten Reinmars über die Stellung des Kaisers zum Papste, über die Thorheiten der Zeit, seiner sittlichen Lehren ein, mit zahlreichen Belegen aus seinen Gedichten. Es ist ein ziemlich leichtes Thema, das sich der Verf. damit gewählt hat; wesshalb er sich dazu der lateinischen Sprache bedient habe, ist nicht angegeben.

Der Spieghel der Layen, ein niederdeutsches moralisches Lehrgedicht aus dem Jahre 1444. Im Auszuge mitgetheilt von Dir. Dr. B. Hölscher. Progr. des Gymn. zu Recklinghausen.

1861.

Auf der bischöflichen Seminarbibliothek zu Münster befindet sich ein Pergamentmanuscript, geschrieben von dem Mitgliede des Fraterbauses zu Münster Gerhard Buck von Bulderick im Jabre 1444. Dasselbe enthält ein moralisches Lehrgedicht „der Spieghel der Layen" in niederdeutscher Sprache, in drei Büchern, wovon nur das zweite Buch von Cap. 17 an in Prosa geschrieben ist. Nur stellenweise hat es poetischen Werth, ist aber für die

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