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IV. Die Komödie der Irrungen.

Die Komödie der Irrungen, am 28. Dez. 1594 aufgeführt, muss schon ein paar Jahre vorher gedichtet sein. Nach Versbau, Stil und Darstellungsweise gehört sie, wie allgemein angenommen wird, zu den Jugend - Dichtungen Shakespeares, obwohl nicht zu den allerfrühesten. Eine schon recht beträchtliche Virtuosität und Gewandtheit in der Diktion und im Versbau, eine gewisse Routine in der Bühnentechnik ist unverkennbar. Die Vorliebe für Stichomythie, für parallelen Satz- und Versbau (z. B. II, 2, 116, 176, IV, 2, 27, V, 63) weist etwa auf die Zeit von H. VI. B, H. VI. C hin, nur scheint der Stil schon etwas ausgebildeter und künstlicher. Antithesen (z. B. I, 1, 125, III, 2, 12, III, 2, 14, V, 87) und Tändeleien mit wiederholten Worten sind beliebt; z. B.

III, 2, 2:

shall, Antipholus, [hate].

Even in the spring of love, thy love-springs rot?

II, 2, 173:

Be it my wrong you are from me exempt,

But wrong not that wrong with a more contempt.

II, 2, 152:

Who, every word by all my wit being scann'd,

Want wit in all one word to understand.

Die letztere 'Antimetabole' hat wohl in Richard III, Verlorener Liebesmüh, Romeo und Julia Parallelen, aber kaum in den frühesten Dramen; vgl. z. B.

Rich. III. III, 1, 85:

With what his valour did enrich his wit,
His wit set down to make his valour live.

oder LLL II, 1, 59:

For he hath wit to make an ill shape good,
And shape to win grace, though he had no wit.

Der Wortschatz und die Diktion erinnert einerseits mehrfach an die ersterwähnten Historien, besonders in der ersten Scene, andererseits z. B. in III, 2 an Venus und Adonis und die Jugend-Sonette. Die humoristischen Scenen stehen denen in der Verlorenen Liebesmühe, in den Beiden Veronesern sehr nahe; einige Motive deuten auch schon auf den Sommernachtstraum.

Manche Scenen, besonders die gereimten, verraten deutlich eine schon etwas höhere Stufe der Entwicklung der dichterischen Technik. Auch die Darstellungsweise und Charakterzeichnung der weiblichen Personen, die volleren, weicheren Gefühlstöne, die in diesen Scenen angeschlagen werden, bekunden eine schon etwas gereifte Kunst und Lebensanschauung. Eine genauere Datierung ist misslich, weil diese Posse, offenbar ein Parergon, weniger aus einem Gusse zu sein scheint, wie die zuletzt besprochenen Historien. Aber man wird nicht sehr fehlgehen, wenn man annimmt, dass das Stück noch 1591 begonnen und 1592 fortgesetzt oder überarbeitet wurde.

Als Sh. am zweiten Teil von Heinrich VI. schrieb, muss ihm wenigstens die erste Scene des Lustspiels schon, und zwar lebhaft, vorgeschwebt haben; denn der seltsame Vergleich

H. VI. B III, 2, 411:

Even as a splitted bark, so sunder we

setzt die Situation voraus, die in Aegeons Erzählung geschildert wird:

Err. I, 1, 104:

Our helpful ship was splitted in the midst,
So that in this unjust divorce of us,
Fortune had left to both of us alike
What to delight in, what to sorrow for.

Und an eben diese Scene wird er gewiss auch kurz vorher gedacht haben:

H. VI. B III, 2, 97:

The splitting rocks cower'd in the sinking sands.

So ist es denn wohl kein Zufall, wenn in derselben Scene, (H. VI. B. III, 2, 116) ebenso wie in der Komödie der Irrungen der Dichter an Aeneas' (Ascanius') Erzählung von Trojas Fall denkt. Die ersten Worte von Aegeons Erzählung sind ja eine Übersetzung des bekannten 'Infandum, regina, jubes renovare dolorem'.

Bemerkenswert ist auch, dass in dem Lustspiel (Err. III, 2, 129) ebenso wie in jener Scene der Historie (H. VI. B III, 2, 100) von den 'Kreidefelsen' Englands gesprochen wird, sonst aber nie bei Shakespeare. Wenn wir bedenken, dass der Dichter, ein Binnenländer, in seiner Jugend und in den ersten Jahren seines Londoner Aufenthalts wahrscheinlich keine oder doch nur seltene Gelegenheit hatte, die südliche Küste Englands zu sehen, werden wir auch diese Anspielung für einen biographischen und chronologischen Fingerzeig halten dürfen, natürlich nur in Verbindung mit anderen schon erwähnten Stellen, die darauf hindeuten, dass Shakespeare um 1590 in der Tat die See aus eigener Anschauung kennen gelernt haben muss. Eine frische Seebrise weht auch sonst durch das Lustspiel (vgl. z. B. Err. IV, 1, 90), und der Dichter weiss sich lebendig in das Getriebe einer Hafenstadt zu versetzen.

Die bekannte Anspielung auf den Krieg Frankreichs 'gegen seinen Erben' (against her heir Err. III, 2, 126) kann die angenommene Datierung bestätigen, aber nicht genauer fixieren. Der Kampf Heinrichs (IV.) von Navarra um die französische Königskrone begann im Herbst 1589 und endete im Sommer 1593; natürlich setzt die Anspielung einen schon geraume Zeit andauernden Krieg voraus, wird also kaum vor 1590, am besten aber in die Jahre 1591-92 passen als englische Truppen sich am Kampfe beteiligten (Belagerung von Rouen, Winter 159192). In der bekannten Äusserung Henry Chettles über den Dichter, die im Dezember 1592 veröffentlicht wurde, ist von der scherzhaften Anmut (facetious grace) seiner Dichtungen die Rede. Es ist nicht einzusehen, worauf sich diese Worte beziehen sollten, wenn nicht auf die Komödie der Irrungen. Denn die Verlorene Liebesmühe, welche von manchen ohne Grund in das Jahr 1590 verlegt wird, ist sicher, wie noch nachgewiesen werden wird, später entstanden: die beiden Veroneser ebenso. Die scherzhaften Scenen in den Historien können aber nicht eben als anmutig bezeichnet werden, während eine gewisse Grazie mehreren Scenen dieser Posse nicht abzusprechen ist.

Da die Theater in der Zeit von Juli bis Dezember 1592 geschlossen waren, dürfte das Stück schon im ersten Halbjahr 1592 zur Aufführung gekommen sein.

In diesem Zusammenhange mag erwähnt werden, dass in dem Lustspiel eine Karikatur einer zeitgenössischen Persönlichkeit vorzukommen scheint, die gerade im Jahre 1592 wieder viel von sich reden machte.

Im vierten Akt tritt (an Stelle eines Arztes in dem Plautinischen Stück) ein halbverhungerter (vgl. V, 1, 235) Schulmeister als Geisterbeschwörer und Teufelsbanner auf, genannt Dr. Pinch die einzige Person im ganzen Stück, die einen englischen Namen führt. Der Verfasser und das englische Publikum mussten bei dieser Figur an den berüchtigten 'Doktor' (eigentlich nur M. A.) John Dee (1527 bis 1608) denken, einen ganz England bekannten Alchymisten und Geisterbeschwörer, der damals in sehr dürftigen Verhältnissen lebte und sich durch Betteleien bei Gönnern und Freunden erhielt (eine unterm 9. Nov. 1592 an die Königin Elisabeth gerichtete Petition ist noch erhalten. Diction. of National Biogr., John Dee). Dee war im Dezember 1589 nach längerem Aufenthalt auf dem Kontinent nach England zurückgekehrt. vor 1590 kann er nicht wohl in Shakespeares Gesichtskreis getreten sein. Auch hier haben wir also eine Bestätigung der angenommenen Datierung.

Genau passt zu dieser ferner der Umstand, dass trotz dem ganz verschiedenen Ton und Inhalt in der Komödie mehrere Anklänge an den dritten Teil von Heinrich VI. sich finden.

Err. I, 1, 102:

We were encounter'd by a mighty rock,

Which being violently borne upon

Our helpful ship was splitted in the midst.

H. VI. C V, 4, 10:

the ship splits on the rock.

Err. I, 2, 42 :

What now? How chance thou art return'd so soon?
Return'd so soon! rather approach'd too late.

H. VI. C II, 5, 92:

O boy, thy father gave thee life too soon,

And hath bereft thee of thy life too late!

Err. II, 2, 30:

When the sun shines let foolish gnats make sport.

H. VI. C II, 6, 9:

And whither fly the gnats but to the sun?

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