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VIII. Richard III.

Die Tragödie von Richard III., von der 1597 die erste Quarto-Ausgabe erschien, muss schon einige Jahre vorher verfasst sein. In Weever's Epigrammen, die 1595-96 verfasst (obwohl erst später veröffentlicht) sind, wird neben Romeo, Venus und Adonis, auch 'Richard' als eine Dichtung Shakespeare's erwähnt; und dieser Richard kann nicht Richard II., wie Fleay meinte, sondern nur Richard III. sein. Richard II., obwohl im selben Jahre mit Richard III. in Druck erschienen, gehört aus metrischen und stilistischen Gründen sowohl, wie wegen des engen Zusammenhanges mit Heinrich IV., einer etwas späteren Periode (etwa 1595) an, ist übrigens nie auch nur annähernd so bekannt und populär geworden, wie Richard III.

Am 19. Juni 1594 wurde ein älteres anonymes Drama von Richard III. (The True Tragedy of Richard III.) zum Druck angemeldet, ein Umstand, der den Kenner damaliger Verhältnisse darauf schliessen lässt, dass Shakespeare's Stück damals schon populär geworden war, und dass das Publikum nach einem Surrogat für den dem Druck vorenthaltenen Text verlangte. Die wohl nachträglich für die Aufführung hinzugefügten Schlussverse der Tragödie, welche sehr deutlich auf Verrat und Meuchelmord, gegen die Königin geplant, anspielen, weisen auf eine Aufführung im Frühjahr 1594 hin. 1)

Innere Gründe lassen auf eine Abfassungszeit nicht lange nach dem dritten Teil von Heinrich VI. schliessen und nicht nur hängen beide Historien inhaltlich eng zusammen, sondern der Stil und Versbau sind sehr übereinstimmend. Als Shakespeare H. VI. C schrieb, muss er sich, wie aus mehreren Vorausdeutungen hervorgeht, schon lebhaft mit dem Schicksal Richards III. beschäftigt haben. Andererseits ist die Kunst des Dichters hier trotz mancher jugendlichen Mängel doch schon erheblich reifer, der Stil gewandter, sodass etwa ein Zwischenraum von 1-2 Jahren anzunehmen ist. So kämen wir auf die Jahre 1592/93 als Abfassungszeit, was mit der gewöhnlichen Annahme übereinstimmt.

Nach stilistischen Kriterien und nach der Häufigkeit der Parallelen zu urteilen, wäre das Drama zwischen Venus und Adonis und Lucretia gedichtet, also etwa im Winter 1592/93 oder im ersten Halbjahr 1593.

Verse aus Venus und Adonis müssen dem Dichter damals noch häufig im Kopf gesummt, Scenen ihm vorgeschwebt haben. So gleich in der ersten Scene:

Rich. III. I, 1, 5:

Now are our brows bound with victorious wreaths;
Our bruised arms hung up for monuments

Grim-visag'd War hath smooth'd his wrinkled front;
And now, instead of mounting barbed steeds

He capers nimbly in a lady's chamber

To the lascivious pleasing of a lute.

Mars im Dienste der Venus, wie es im epischen Gedicht geschildert ist:

1) Im Frühjahr 1594 wurde Roderigo Lopez wegen angeblichen

Hochverrats und beabsichtigten Meuchelmords hingerichtet.

Ven. 97:

I have been woo'd, as I entreat thee now,
Even by the stern and direful God of War

Over my altars hath he hung his lance,
His batter'd shield, his uncontrolled crest,
And for my sake hath learn'd to sport and dance,
To toy, to wanton, dally, smile and jest.

Ferner lassen sich vergleichen:

Rich III. I, 2, 150:

Thine eyes, sweet lady, have infected mine.
Would they were basilisks, to strike thee dead.
I would they were, that I might die at once,
For now they kill me with a living death.

Ven. 499:

O, thou didst kill me: kill me once again

Thy eyes' shrewd tutor, that hard heart of thine,
Hath taught them scornful tricks and such disdain
That they have murder'd this poor heart of mine.

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Ven. 1143:

The bottom poison, and the top o'er straw'd
With sweets.

Rich. III. II, 2, 51:

But now two mirrors of his princely semblance
Are crack'd in pieces.

Ven. 1129:

Two glasses, where herself herself beheld
A thousand times, and now no more reflect.

Rich. III. III, 3, 11:

Within the guilty closure of thy walls.

Ven. 782:

Into the quiet closure of my breast.

Rich. III. V, 5, 25:

The father rashly slaughter'd his own son,
The son compell'd been butcher to the sire

Ven. 766:

butcher-sire that reaves his son of life.

Auch die Liebessonette stimmen im Ausdruck öfters auffallend überein (vgl. Shakespeare-Jahrbuch XXXI, 224 Andererseits finden sich bedeutsame Parallelen besonders in der Verlorenen Liebesmüh, Lucretia, Romeo (vgl. Shakespeare-Jahrbuch XXIX, XXX, 96 ff.).

Andere Momente kommen hinzu, welche die angenommene Datierung bestätigen und vielleicht eine noch genauere Zeitangabe ermöglichen.

Jene wirkungsvolle Scene, in der die Herzogin von York ihren eigenen Sohn, den König Richard III., verflucht (IV, 4), ist offenbar einer ähnlichen Scene aus Marlowe's Massacre of Paris (III, 2) nachgebildet.

Dort sagt nach der Ermordung Guise's (vergleiche die Ermordung des Clarence) die Königin - Mutter zu ihrem Sohn, dem König von Frankreich (Heinrich III):

III, 2:

When thou wast born,

I would that I had murdered thee, my son!
My son? Thou art a changeling, not my son!
I curse thee and exclaim thee miscreant,
Traitor to God and to the realm of France!

Bei Shakespeare heisst es (IV, 4, 136):

K. Rich. Who intercepts me in my expedition?
Duch. O, she that might have intercepted thee,
By strangling thee in her accursed womb,
From all the slaughters, wretch, that thou hast done!

Auch andere Stellen in Richard III. scheinen durch Marlowe's Französische Tragödie angeregt worden zu sein: so die Scene von Clarence Ermordung (Zwei Mörder) durch die Ermordung Guise's, der erste Monolog Richards durch den ersten Monolog Guise's, die Rede Richmonds vor der Schlacht durch die Rede Navarre's (II, 5).

Nun wurde nach Henslowe die 'Tragedy of the Guise' (= Massacre of Paris) am 30. Januar 1593 als ein neues Stück aufgeführt. Früher dürften wir also auch Richard III. kaum datieren.

Die Abfassung scheint sich aber bis tief in den Sommer 1593 hineingezogen zu haben, wenn wir Recht haben in der ersten Scene des zweiten Aktes eine Anspielung auf ein Shakespeare sehr nahe berührendes Zeitereignis zu sehen.

Am 1. Juni 1593 wurde Christopher Marlowe bekanntlich in einer Taverne von Deptford bei einem Gelage (feast) von einem gewissen Francis Archer erstochen, der als Diener (serving-man) bezeichnet wird, also zum Haushalt irgend eines vornehmen Herren gehört haben muss. Von einer Hinrichtung dieses Francis Archer, die doch eigentlich zu erwarten war, ist aber nichts bekannt geworden; hätte sie stattgefunden, so wäre ein solches die ganze litterarische Welt Londons interessierendes Ereignis von irgend einem

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