eine spätere, reifere Entwicklungsperiode. Die Diktion ist ungefähr ebenso virtuos, raffiniert und witzig wie in Richard III. Die Antithesensucht ist ziemlich in demselben Maasse entwickelt (z. B. I, 1, 72-79, IV, 1, 23 ff., IV, 3, 357 ff.); das Tändeln mit wiederholten Worten ist ebenso beliebt (z. B. I, 1, 49, I, 1, 72 ff., I, 1, 142 ff., II, 1, 57 ff., V, 2, 153). Besonders charakteristisch ist für das Stück die Antimetabole, die wir in Venus und Adonis und Richard III. auch schon kennen gelernt haben: IV, 3, 2: they have pitch'd a toil: I am toiling in a pitch. II, 1, 216: V, 2, 19: Not a word with him but a jest. What's your dark meaning, mouse, of this light word? IV, 3, 357: For wisdom's sake, a word that all men love, II, 1, 59: For he hath wit to make an ill shape good, II, 47: The only soil of his fair virtue's gloss, Es dürfte sehr schwer werden, ähnliche Stil-Affektation in den frühesten Dramen Shakespeare's nachzuweisen. Der Einfluss von Sidney's und Daniel's Stil ist auch hier unverkennbar. Verlorene Liebesmühe ist das erste Drama, welches Sonette enthält und setzt an einer Stelle (IV, 3, 258), wie bekannt und erwähnt, das erste der Liebessonette (No. 127) voraus, welches seinerseits einem Sonett Sidney's (1591 veröffentlicht!) nachgeahmt ist. Andererseits zeigen die ersten Freundschafts - Sonette, welche, wie wir gesehen haben, wahrscheinlich im Herbst 1593 gedichtet sind, mehrfache auffallende Berührungen in Gedanken und im Wortlaut, so dass auch aus diesem Grunde das Lustspiel etwa in dieselbe Zeit zu setzen ist (Shakespeare-Jahrbuch XXXI, 221). Noch bemerkenswerter sind die mehrfachen Beziehungen zu der epischen Dichtung von Lucretia, welche ebenfalls dieser Zeit angehört (Shakespeare-Jahrbuch XXIX, XXX, 98. Mannigfache Anklänge an Richard III. machen es wahrscheinlich, dass LLL. sehr bald nach dieser Historie verfasst ist. In der ersten Scene des Lustspiels ist die Rede des Königs von Navarra noch ganz im heroischen Stil gehalten und weist mehrere Reminiscenzen an die Historie auf (Rich. III, V, 5, 35, III, 1, 87); die erste Rede der Prinzessin enthält eine Wendung (II, 1, 9), welche einer Stelle in Richard III. sehr ähnlich ist (I, 2, 244). Und im vierten Akt des Lustspiels ertönen dieselben Alarm-Rufe, wie in der Tragödie, da hier ebenso wie dort sich zwei Heerlager gegenüberstehen, hier allerdings nur in scherzhaftem Minnekampfe (vgl. Shakespeare-Jahrbuch XXIX). Es kommen dazu noch mehrere andere Momente, welche eine spätere als die gewöhnlich angenommene Abfassungszeit wahrscheinlich machen. Der italienische Vers 'Venetia, Venetia, chi non ti vede, non ti pretia', den Holofernes citiert (LLL. IV, 2, 100), kann nur entweder aus Florio's Second Fruits (1591 veröffentlicht) stammen oder vom Dichter aus Italien mitgebracht sein. Die Lieder des Ver und Hiems am Schluss des Lustspiels sind deutlich durch das Lied des Ver in Nash's Moralität, Summer's Last Will and Testament' angeregt, welche im Jahr 1592 verfasst und aufgeführt worden war. Auf die Pest (1592, 1593) wird mehrmals, besonders LLL. V, 2, 419 angespielt, und zwar in einer Weise, die unmittelbare persönliche Erfahrungen und Anschauungen voraussetzt. Sodann sind die Namen des Königs von Navarra, Biron, Dumaine, Longaville, gerade solche, die in den Jahren 1592 bis 1593, aber kaum vorher allgemeines Interesse erregten. Denn im Winter 159192 hatte der König von Navarra Rouen belagert, unterstützt von seinen Anhängern, dem Marschall Biron und Herzog von Longueville, von denen wenigstens der letztere vorher kaum hervorgetreten war; und der Herzog von Mayenne oder 'Dumaine', wie er auch genannt wurde, war sein Gegner gewesen. Bei dieser erfolglos verlaufenen Belagerung hatte auch ein englisches Hilfskorps unter Graf Essex eine Zuschauerrolle gespielt, und die heimgekehrten englischen Soldaten werden gewiss viel von den französischen Heerführern erzählt haben. Angenommen, es gäbe ein modernes englisches Lustspiel, in welchem Bismarck, Moltke und Benedek als Kavaliere am preussischem Königshofe auftreten, könnten wir uns dies vor 1866 verfasst denken? Am Hofe, oder besser gesagt, im Lager des Königs Heinrich von Navarra hatte sich aber gerade im Jahre 1592 in der Tat ein Spanier aufgehalten, der zwar nicht Don Adriano de Armado, aber Don Antonio Perez hiess und im Frühjahr 1593 als Abgesandter des Königs nach England kam (Brosch, Geschichte von England Bd. VI S. 648, Mignet, Antonio Perez et Philippe II, 321). Dieser Abenteurer und Intriguant hatte ein sehr bewegtes Leben gehabt und war wohl geeignet die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Früher Staats-Sekretär bei Philipp II. fiel er wegen eines Liebesverhältnisses mit der bekannten Prinzessin Eboli in Ungnade und wurde eingekerkert (1579). Es gelang ihm aber im Mai 1591 nach Frankreich zu entfliehen. Dort, am Hofe des Königs Heinrich von Navarra wird ihn Graf Essex kennen gelernt haben, der ihn nachher in England protegierte. Von englischen Zeitgenossen wird Antonio Perez als ein anmassender, eitler, gravitatischer Mensch geschildert; seine Briefe sind in schwülstigem hochtrabendem, sentenziösem Stil geschrieben (Shakespeare-Jahrbuch XXX, 213), so dass die Karikatur des Adriano de Armado nicht übel auf ihn passt. Dass Antonio Perez auch mit dem Grafen Southampton bekannt war, geht daraus hervor, dass er ihm im Jahre 1594 auch ein Exemplar seiner 'Relaciones' dedizierte (Mignet, Antonio Perez, transl. by C. Cocks, p. 262.) Der Handlung des Lustspiels liegen Ereignisse zu Grunde, die sich im Winter 1579,80 am Hofe des Königs von Navarra zu Nerac in der Gascogne zugetragen hatten, und von denen Shakespeare auf irgend eine noch nicht aufgeklärte Weise Kenntnis erhalten haben muss. Damals war in der Tat eine Prinzessin von Frankreich, Marguerite von Valois, die aber in Wirklichkeit die erste Gemahlin Heinrichs von Navarra war, mit einem Gefolge von galanten Hofdamen an den Hof des Königs gekommen, der bis dahin von seiner Gemahlin getrennt, mit seinen Genossen ein ungebundenes Junggesellenleben geführt hatte. Heinrich von Navarra hatte, nachdem er mit seinen Freunden Rat gehalten und beschlossen sie aufzunehmen, die Fürstin höflich bewillkommnet. Rauschende Feste, Jagden, Promenaden im Park, Maskeraden, Tänze, Liebesintriguen zwischen Hofdamen und Hofherren und der 'Krieg der Liebenden' folgten. Nach mehreren Jahren erst war in Wirklichkeit die 'Prinzessin' wieder von dannen gezogen (vgl. meine ausführlichen Darlegungen im Shakespeare-Jahrbuch XXXI). Der Umstand, dass der König von Navarra eine Akademie gründen will, kann vielleicht auf Verwechslung mit dem gleichzeitigen Könige von Frankreich, Heinrich III, beruhen, der in der Tat auf seinem Schloss Olinville solche Akademie-Sitzungen abhielt, nach dem Muster italienischer Principi. Wir werden aber gleich sehen, dass hier auch eine satirische Anspielung auf ein Vorkommnis in England vorliegen kann. Die historischen Tatsachen, die dem Lustspiel zu Grunde liegen, sind indessen ziemlich frei verwertet und offenbar so zugestutzt, dass sie auch auf englische Verhältnisse passten. In ähnlicher Weise wie die Prinzessin von Frankreich im Lustspiel, pflegte die Königin Elisabeth ihre Günstlinge zu überraschen, und liess sich von ihnen mit Maskeraden, Tänzen und Jagden unterhalten. Der Dichter mag zunächst an den Aufenthalt der Königin in Kenilworth im Jahre 1575 gedacht haben, von dem er als 11 jähriger Knabe im nahen Stratford gewiss viel gehört hatte, und auf den ja auch eine Anspielung im Sommernachtstraum hinzuweisen scheint. Aber auch in späteren Jahren kam ähnliches vor, z. B. im Jahre 1591, wo die Königin bei dem Viscount Montagu (einem Oheim des jungen Grafen Southampton) in Coudray zu Besuch war und drei Rehe schoss, oder im Jahre 1592, wo sie George Carey, den spätern Lord Hunsdon, mit ihrem Besuch beehrte. Da der junge Graf Southampton in jener Zeit bei der Königin noch in hoher Gunst stand, so war es sehr natürlich, wenn der Dichter seinem vornehmen Gönner den gar nicht unwahrscheinlichen Fall eines solchen Besuches in schalkhafter Weise ausmalte, zumal da Elisabeth im Herbst 1591 auch in Tichfield, dem Stammsitz des Grafen Southampton, sich aufgehalten hatte. Jedenfalls setzt das Stück schon eine grosse Vertrautheit mit höfischem Verkehrs- und Gesprächston voraus und zeigt, dass der Dichter zur Zeit schon Fühlung mit aristokratischen Kreisen hatte: schon aus diesem Grunde hätte es nicht zu früh angesetzt werden dürfen. Der junge Graf Southampton, der um die Zeit eifrig litterarische Interessen pflegte, und ausser Shakespeare auch den Schriftsteller Thomas Nash, den italienischen Sprachmeister John Florio, den Dichter George Peele und vielleicht auch Samuel Daniel patronisierte, konnte sich allenfalls dem König von Navarra vergleichen, insbesondere weil er damals, wie aus den ungefähr gleichzeitigen Sonetten Shakespeare's hervorzugehen scheint, der Liebe noch ab |