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Gebirgen, überall in Griechenland in den heissen Sommermonaten entweder sporadisch oder schwach epidemisch auftretenden Congestionsfieber nirgends einen nennenswerthen macrobiotischen Einfluss auf erwachsene oder halberwachsene Individuen auszuüben scheinen. Solche Personen werden beispielsweise einmal von Fieber ergriffen, reconvalesciren und es vergehen. Jahre, ohne dass ihr Wohlbefinden einer Störung unterliegt. Es scheint hiernach wirklich, dass dieser Fiebergattung ein heilsames Bestreben des Organismus zu Grunde liegt, die wie immer in ihn eingedrungenen Miasmen auszuscheiden. Obgleich letztere uns ihrem Wesen nach unbekannt sind, so dürfte doch kein griechischer Arzt darüber in Zweifel sein, dass die qualitative Wirkung derselben auf den menschlichen Körper, je nachdem es sich um Ausdünstungen aus Sümpfen, stehenden Wässern und Niederungen oder auch nur aus dem Erdreich handelt, eine verschiedene ist. Die Reaction gegen dieselben mag in einzelnen Fällen das Maass überschreiten und eine tödtliche werden, doch kommt das, wie ich oben angedeutet, bei Erwachsenen und selbst älteren Kindern äusserst selten vor, während dieselbe bis ca. zum 5. Lebensjahre öfter als eine stürmische bezeichnet werden muss, welche hier und da den Tod im Gefolge hat. Von da ab bis ungefähr zum 12-13. Lebensjahre will ich zwar dieselbe noch keine gefahrlose nennen, doch bietet dieser Zeitabschnitt ungleich günstigere Chancen, als das zarte Kindesalter. Um mich zu resümiren, so gebe ich der Ueberzeugung Ausdruck, dass ein intensives Malariagift die Gesundheit untergräbt und folglich das Leben abkürzt, dagegen das gegen die Erdausdünstungen reagirende Fieber als ein kritisches Naturbestreben zu betrachten ist, welches in seinen Folgen für die Gesundheit erspriesslich ist und somit die Langlebigkeit fördert.

Abgesehen davon, dass ich bei der Erörterung der Bodenbeschaffenheit schon hier und da das Gebiet der Klimatologie streifte, da die scharfe Sonderung dieser in einander greifenden Doctrinen kaum durchführbar ist, so glaube ich hier noch besonders hervorheben zu müssen, dass die jedesmalige Dauer und Stärke der hierorts herrschenden Passat- oder etesischen Winde (μɛλtéμa), sowie speciell die des Nordwindes einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Gesundheit und Lebensdauer ausübt. Nach Aristoteles und Plinius soll die Dauer der ersteren, um die Zeit der Hundstage, eine vierzigtägige gewesen sein, doch fällt ihr Anfang nach neueren Beobachtungen ungefähr in die Mitte Juni's und sie halten von da ab mit einigen Unterbrechungen bis in den August an. Von diesen sagt Hippocrates im dritten Buche der Epidemien, in dem es sich um die zaráçaois howdys handelt πνίγεα μεγάλα· ἐτήσια γε σμικρὰ διεσπασμένως ἔπνευσαν.“ Im Ηρακλείδης περὶ πολιτικῶν heisst es, dass einmal zur Zeit des Αρισταίος Menschen und Pflanzen nicht zu gedeihen vermochten „dià tò μǹ avɛiv ètyvia." Noch heutigen Tages geben starke Passatwinde zu der Vorhersage Anlass, dass der Gesundheitszustand ein befriedigender und das Jahr ein

fruchtbares sein werde. In Athen waren dieselben ein Gegenstand der öffentlichen Verehrung, wie der Nordwind, welchen man als xndeotǹv tõs ευφορίας bezeichnete. Nach Pausanias war das bezüglich des letzteren auch in manchen Gegenden des Peloponneses der Fall. Es ist Thatsache, dass dieser Wind ebenso wohlthuend und belebend auf den Körper wirkt, als der Südwind abspannend und entnervend. Noch ist von ihm die klimatische Eigenthümlichkeit erwähnenswerth, dass er als vorherrschender Localwind in einigen Gebirgsgegenden des festländischen Binnenlandes nicht allein die sanitären Verhältnisse, sondern auch den Grundtypus der Bevölkerung in Ansehung auf kräftigen Körperbau und entsprechende Muskelentwickelung vortheilhaft zu beeinflussen scheint. Schliesslich bringt die „Bektioon“, ein seiner Zeit vom Dr. J. G. Pyrla, Kreisarzt von Arkadien, redigirtes Journal in Nr. 148 des Jahrgangs 1854 das Factum zur Kenntniss des Publicums, dass die Choleraerkrankungen in Folge der herrschenden Südwinde häufiger geworden seien. Dagegen enthält das Blatt in seiner Nr. 154 vom 16. December 1854 die Mittheilung, dass die Choleraanfälle mit dem Eintritte des Nordwinds auffallend nachgelassen haben.

Ich gehe jetzt zu der sub Nr. 3 aufgestellten These über, welche dem Einflusse der Luft auf die griechische Longävität Rechnung trägt. Wenn schon die Beobachtung, dass Klima und Bodenbeschaffenheit die körperliche und geistige Entwickelung eines Volkes bedingen, kaum einer eingehenden Erörterung bedarf, um das Zutreffende derselben festzustellen, so findet das in noch höherem Maasse auf die atmosphärische Luft als hauptsächlichsten Factor der menschlichen Lebensdauer seine Anwendung. Dieselbe behauptet unter den Existenzbedingungen des Menschen im engern und weitern Sinne des Worts die erste Stelle. Sie ist es, welche uns in unser Dasein einführt, und ebenso ist sie es, welche bei uns bis zu unserem letzten Athemzuge aushält. Es ist eine conditio sine qua non zur Erhaltung einer guten Gesundheit, reine Luft in genügender Menge einzuathmen. Nach ReveilléParise, einer Autorität auf dem Gebiete der Hygieine, alterirt schlechte Luft die Blutmischung und diese langsame Art von Vergiftung ist von allen Krankheitsursachen die häufigste. Schlechte Zimmerluft", sagt Pettenkofer, stimmt die Widerstandsfähigkeit gegen krankmachende Agentien herab." Welchen Einfluss die durch enges Zusammenleben verunreinigte Luft auf die Sterblichkeitsverhältnisse ausübt, ergiebt sich aus der schon erwähnten Studie des Dr. Karl v. Scherzer, nach welcher von je 100 Einwohnern Leipzigs jährlich im Durchschnitt starben:

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bei einer Dichtigkeit von 1-2 Bewohnern auf je eine heizbare Stube 1,64 Bew.

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Als zweites Beispiel mag hier noch Platz finden, dass nach statistischen, von Professor Reclam mitgetheilten Erhebungen aus London von je 33 daselbst jährlich sterbenden Putzmacherinnen nicht weniger als 28 an Schwind

sucht zu Grunde gehen, obwohl sie bei ihrem Gewerbe neben sitzender Körperstellung keinen andern schädlichen Einwirkungen ausgesetzt sind als der Stubenluft.

Auch führt schliesslich derselbe Autor an, dass man im Krimkriege einen günstigen Krankheitsverlauf bei solchen Kranken beobachtet habe, welche unter Zelten im Freien lagen, einen ungünstigen bei denjenigen, die in Sälen und Zimmern placirt waren; die ersteren hatten genügende freie Luft, die andern nicht.

Leicht liessen sich diese Citate vervielfältigen, da es mir aber nicht darum zu thun ist, längst Erwiesenes zu bewahrheiten, so verweise ich den. event. unbefriedigten Leser auf das schon angeführte Buch der vernünftigen Lebensweise, in dessen III. Abschnitt dieser Gegenstand ausführlich behandelt wird. Was nun die Beschaffenheit der atmosphärischen Luft in Griechenland anlangt, so halte ich dieselbe mit Ausnahme der Malariadistrikte für eine, bezüglich ihrer Wirkung auf den menschlichen Organismus möglichst günstige. Die Verunreinigung derselben in Athen, im Piräus und in der nächsten Umgebung der Hauptstadt durch die von den etesischen Winden aufgewühlten Staubwolken wirkt erfahrungsgemäss nicht so nachtheilig auf die Gesundheit, als sie im Verein mit der übermässigen, während der Sommermonate alles Grün versengenden Hitze den Aufenthalt an diesen Orten, besonders in Athen, zu einer Art Analogon der sieben pharaonischen Plagen macht. Die bemittelten Familien entziehen sich dieser Marter durch ihre zeitweilige Uebersiedelung nach den nahen Sommerfrischen. Wie eben angedeutet, ist, abgesehen vom Säuglingsalter, dieser Uebelstand vom sanitären Standpunkte weniger folgenschwer als er lästig ist, denn seine Dauer beschränkt sich auf den kurzen Zeitraum von 2-2 Monaten und überdies ist er lediglich localer Natur. Die geographische Lage Griechenlands schliesst einen langen und rauhen Winter aus, welcher die Menschen in ihre vier Wände bannt und dieselben nöthigt, die häufig vielleicht ohnehin schon in ihren Bestandtheilen veränderte und somit schädliche Luft in denselben zu erwärmen. Wenn möglicherweise der schwach vertretene griechische Handwerkerstand zum Theil einer ozonarmen Stubenluft verfällt, so ist er dabei noch keineswegs, wie in übervölkerten europäischen Verkehrscentren, gezwungen, in abgeschlossenen und überfüllten Räumen zu verweilen. Die Erholungspausen werden unter allen Umständen dem Genusse der freien Luft gewidmet, was die Ungunst der Witterung, wie etwa ein Regenguss, nur vorübergehend zu verhindern vermag. Es darf wohl als bekannt vorausgesetzt werden, dass, wenn der Luftgenuss auf den gesunden Menschen belebend ein wirken soll, derselbe sich nicht allein in einer reinen, sondern auch kühlen und mässig bewegten Atmosphäre befinden muss, sonst wird auch die reinste Luft eine erschlaffende Wirkung auf ihn ausüben 1). Diese drei Bedingungen finden sich

1) Es scheint, als ob mit der Zunahme des Sauerstoffs in der Luft die Nervenkraft wüchse.

nun häufig hier zu Lande am Meer und in höher gelegenen Gegenden vereinigt, und das dürfte auch in Ansehung der Wälder der Fall sein, wenn diese endlich einmal als ein lohnendes Object wirthschaftlicher Fürsorge und einer geregelten Forstkultur betrachtet und nicht in neuester Zeit allem Anscheine nach von ruchlosen Händen planmässig niedergebrannt würden. Nach physikalischen Gesetzen finden, zwischen Küste und hoher See, sowie zwischen Berg und Thal Luftströmungen statt, welche eine fortwährende Abkühlung und Reinigung der Atmosphäre zur Folge haben 1). Die Combination von See- und Bergklima ist bei den ausgedehnten Küstenstrecken des gebirgigen Landes durchaus keine seltene, die von Wald-, See- und Bergklima repräsentirt das früher von einigen Athener Familien als Sommerfrische benutzte Kloster auf der Insel Paros. Der günstige Einfluss des bewaldeten Hochgebirges, z. B. der tannenwürzigen Gebirgsluft des Oeta in Phthiotis, auf die den Sommer hindurch dort lebenden und ihrem Berufe unter freiem Himmel nachgehenden Hirten familien (Wlachen) drängt sich sofort dem diese Gegenden besuchenden Beobachter auf, welcher in diesen Leuten das ideale Bild einer vollkommnen Gesundheit zu sehen glaubt. Das Berg- sowie das Seeklima scheinen auch einen gewissen Einfluss auf die Energie des Willens zu üben. Die Individualitäten sind ausgeprägter und, je ausgeprägter sie sind, desto stärker tritt bei ihnen das Selbstbewusste der ursprünglichen Gleichberechtigung des Menschen zu Tage.

Wir dürfen die Bevölkerungsverhältnisse Griechenlands als solche bezeichnen, welche der Reinheit der atmosphärischen Luft ebenfalls günstig sind. Es ist bereits oben gesagt worden, dass auf einem Gesammtflächenraum von 50 211 qkm noch nicht ganz 14 Million Menschen leben, so dass im mittleren Durchschnitt auf einen solchen nahezu 29 Bewohner entfallen. Die Vertheilung der Bevölkerung auf die einzelnen Kreise (vouoi) mit Inbegriff der ionischen Inseln erhellt nach Monsola aus nachstehender Tabelle: (Siehe Tabelle Seite 48.)

Hiernach hat der Kreis von Aetolien und Akarnanien und in zweiter Linie der von Attika und Böotien die grösste Flächenausdehnung; die geringste besitzen die Cycladen und Messenien. Ungeachtet dessen sind die beiden letzteren Kreise die am stärksten bevölkerten, während der von Aetolien-Akarnanien und von Euböa sich als die schwächsten von allen gruppiren. Von den ionischen Inseln ist Cephalonien die grösste, Paxos die kleinste; Zante hat die dichteste, Ithaka die dünnste Bevölkerung. Nach dem Dafürhalten des oben citirten Statistikers ist Griechenland mit Ausnahme Russlands, Norwegens, Schwedens und der Türkei der am schwächsten

1) Den Werth des trockenen Seebades, d. h. einer Luftkur in einer unter hohem atmosphärischem Druck stehenden, gleichmässig kühlen, stark bewegten und zur Zeit des Seewindes mit Salztheilen geschwängerten Atmosphäre kannte der für dasselbe passionirte, jüngst verstorbene Dr. Reinhold im Piraus besser, als die über diese Curmethode sich wundernden Einwohner der Athenischen Hafenstadt.

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bevölkerte europäische Staat 2). Dem sei, wie ihm wolle, es ist Thatsache, dass nach den amtlichen Erhebungen des Jahrs 1870 die Anzahl der bewohnten Häuser in Griechenland sich mit 312 519 bezifferte, somit auf einem Kilometer Flächenraum deren sich nicht mehr als 6,23 befanden. Es kamen demnach bei einer Gesammtbevölkerung von 1437 026 Seelen, abgesehen von der Residenzstadt Athen und den Kreishauptstädten, auf jedes Haus im ganzen Lande 4,60 Bewohner, welche Ziffer auch ungefähr der mittleren. Durchschnittszahl einer jeden Familie entspricht.

Aus nachstehender Tabelle wird das Zahlenverhältniss der Familien, der Glieder derselben und das der Häuser zu der Ziffer der in einem jeden der letzteren wohnenden Individuen für Athen und die Kreishauptstädte ersichtlich. (Siehe Tabelle Seite 49.)

Nach dieser Zusammenstellung kommen nur in Athen und Korfu mehr als zwei Familien auf ein Haus. In letzterer Stadt mag es diesem Umstande, sowie dem Einflusse der engen, krummen, zum Theil noch aus der Zeit der Venetianerherrschaft stammenden, Gassen mit ihren alten, hohen,

1) Ohne die 20 868, zur Armee-, Kriegs- und Handelsmarine zählenden Individuen. 2) In der medicinischen Geographie und Statistik von Boudin, Paris 1857, wird Griechenland mit 1 407 Seelen auf die geographische Quadratmeile aufgeführt, während der Türkei 1600 zugetheilt werden. Mir scheint letztere Zahl zu hoch gegriffen und es will mich bedünken, den persönlichen Eindrücken nach zu urtheilen, welche eine im Jahre 1874 unternommene Reise in Kleinasien bei mir zurückgelassen hat, dass in diesem Falle der griechische Statistiker der Wahrheit näher gekommen ist als der französische.

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