Sidor som bilder
PDF
ePub

ten, ist charakteristisch und war es in frühern Zeiten noch mehr"). Ein schlagendes Beispiel für die Leichtigkeit, mit welcher die Mongolen sich selbst zu einer Zeit, wo ein Religionssystem mit hierarchischer Gliederung die Nation stärker zusammenhielt, weit von einander trennten, bietet die Geschichte des noch heute in Europa ansässigen Stammes der Oelöt (Kalmüken). Sie hatten sich im siebenzehnten Jahrhundert von den Quellflüssen der Selenga in der Mongolei immer weiter entfernt und waren, nicht einmal in ihrer Gesammtheit, sondern in kleinen Abtheilungen, durch das Gebiet verschiedener Türkenstämme hindurch bis zur Wolga und Sarpa gedrungen, wo sie sich niederliessen und im Laufe der Zeit durch neue Zuzüge aus China verstärkten. Und im Jahre 1771 erneuerte sich ein Schauspiel, welches uns die Natur solcher Völkerwanderungen recht veranschaulichen kann: der russischen Herrschaft überdrüssig, beschloss der mächtigste Zweig, der Stamm der Torgot, 50,000 Familien stark, aus der Steppe zwischen Don und Wolga nach China zurückzuwandern, und führte den Plan wirklich aus. Obgleich die Auswanderer voraussahen, dass sie von den Russen verfolgt werden würden; obgleich sie wussten, dass sie das Land der ihnen feindlich gesinnten Kasak (Kirgisen) in seiner ganzen Ausdehnung durchziehen mussten: konnte weder die drohende Gefahr, noch die Weite des Weges sie zurückschrecken. Schaaren bewaffneten Kriegsvolks zogen voraus, um die Gefahr zu erkunden; andere deckten die Flanken des in drei grossen Abtheilungen wandernden Volkshaufens; ein bewaffneter Nachtrab schloss den Zug, trieb die Zögernden, und nahm die Ermüdeten auf. Von Feinden vielfach beunruhigt, legte das Volk in einer öden Steppe, deren Stationen und Brunnen ihm unbekannt waren, unter unendlichen Mühseligkeiten in acht Monaten einen Weg zurück, dessen Endpunkte von einander so weit entfernt sind, wie Bordeaux vom Dnjepr. Mit Recht bemerkt Pallas bei Erzählung dieses interessanten Ereignisses, dass es uns ein Bild der vormaligen Völkerwanderungen gewährt. „,Bei der unstaten, wandernden Verfassung dieser Völker," sagt er,,,hat man nicht nöthig, wie so viele Geschichtschreiber thun, die Barbaren, welche das orientalische Kaiserthum und Europa nach und nach überschwemmten, alle in einen Winkel zwischen die Wolga, den Kaukasus, das schwarze Meer und

1) J. J. Schmidt, Forschungen im Gebiet der ältern religiösen, politischen und literärischen Bildungsgeschichte der Völker Mittelasiens, vorzüglich der Mongolen und Tibeter. St. Petersburg 1824. S. 32.

Hell. im Skythenl. I.

10

die Donau zusammenzudrängen, als wenn diese Nomaden die schönen Steppen des mittlern Asiens, die sich durch die berühmten Wanderungen wirklich entvölkert zu haben scheinen, vorhin hätten leer stehen lassen. Nichts war diesen Völkern leichter, als mit ganzen Horden, selbst mit Weib, Kind, Haus und Heerde aus den östlichsten Steppen bis nach Europa zu kommen, und mitten durch die Weideplätze anderer, auch sogar feindseliger Völker einherzuziehen").

In der Natur der Verhältnisse liegt also durchaus kein Grund, es von vorn herein in Abrede zu stellen, dass im Alterthum nicht eben so gut wie in neuer Zeit eine mongolische Horde aus dem fernen Osten durch Völker verschiedener Zunge hindurch nach Europa hätte dringen können. Der Weg ist zwar weit: aber in Jahrhunderten könnte ihn auch eine Schnecke zurücklegen, wenn sie so lange wie ein Volk lebte. Die Wanderung der Oelöt nach Westen beweist, dass es zu solchen Zügen nicht welterschütternder Ereignisse bedarf, und ihre Rückkehr würde in dunklern Jahrhunderten ebenfalls unbeachtet geblieben sein. Wenn wir in der alten Geographie Asiens nicht bei jedem Schritt auf unlösbare Räthsel stossen wollen, müssen wir uns durch solche Ereignisse, wie das erwähnte, das Wesen asiatischer Hirtenstämme und die Natur des Landes lebendig vergegenwärtigen: der lockere Zusammenhang eines nomadischen Volkes, die Möglichkeit, das ganze Besitzthum mitzuführen, die Leichtigkeit, in den schwachbevölkerten grasreichen Ebenen neue Weiden zu finden, und der sorglose Volkscharakter begünstigen die Zersplitterung der Stämme und die isolirte Ansiedelung einzelner Horden in weit von einander getrennten Gegenden ungemein. Wenn griechische und römische Schriftsteller asiatische Hirtenvölker desselben Namens an verschiedenen Orten erwähnen, am Ural z. B. und am Altai, so folgt an sich daraus nicht, dass eine Nachricht von beiden falsch ist, eben so wenig, wie wenn heutige Geographen Mongolen an der Wolga und an der chinesischen Mauer kennen. Eine nach den alten Angaben entworfene Karte Asiens würde in ethnographischer Hinsicht im Allgemeinen denselben Eindruck machen, wie eine neue; auf beiden würden wir an weit entfernten Orten dieselben Namen wiederfinden und daraus das Bild einer sonderbaren Zusammenhangslosigkeit, einer unendlichen Zerrissenheit in ethnologischer Beziehung entnehmen: und gerade dieses Bild würde der Wahrheit entsprechen.

Eine andere Frage ist es, ob die positiven Angaben der Alten über

1) Pallas, Nachrichten über mongol. Völker I, 95.

die Skythen es beweisen oder mindestens wahrscheinlich machen, dass das Volk wirklich dem mongolischen Stamme angehörte. „Die Aehnlichkeit der Sitten," bemerkt Alexander v. Humboldt im Hinblick auf diese Controverse, „, ist, wo die Natur des Landes den Hauptcharakter der Sitten hervorruft, ein sehr unsicherer Beweis der Stammähnlichkeit. Das Leben in der Steppe erzeugt bei Türken, bei Baschkiren (Finnen), bei Kirgisen, bei Torgod und Dsungaren (Mongolen) dieselben Gewohnheiten des nomadischen Lebens, denselben Gebrauch von Filzzelten, die auf Wagen fortgeführt und bei den Viehheerden aufgeschlagen werden."1) Das Bedeutsame und Richtige dieser Erinnerung springt in die Augen; und ihre Nothwendigkeit erhellt z. B. aus folgendem Satz eines hochverdienten und geistreichen Historikers: „Als Kalmüken oder Mongolen erscheinen die Argippaier schon durch ihre aus Filzen bereiteten Gezelte; während die Skythen, die ihre Wohnung auf ihren Wagen oder Karren hatten, dadurch ihre tatarische Herkunft verrathen."2) Ich will auch nicht durchaus in Abrede stellen, dass selbst Niebuhr dergleichen Aeusserlichkeiten ein zu grosses Gewicht beizulegen scheint. Allein er weist doch auch auf die Körperbeschaffenheit der alten Skythen hin 3); und eine sorgfältige Prüfung der hierauf bezüglichen Angaben alter Schriftsteller verhindert mich noch mehr, als das so eben gewonnene Resultat über die frühern Sitze des Volks, der Ansicht J. Grimm's und A. v. Humboldt's, welche die Skythen für ein indo-germanisches Volk halten +), beizutreten. Haben wir hier festern Boden gewonnen, so werden wir auch aus den Sitten jener alten Nomaden solche Züge hervorheben, die mit dem Hirtenleben und der Natur des Landes in keinem Zusammenhange stehen und zu absonderlich sind, als dass ihre Uebereinstimmung bei Skythen und Mongolen auf dem Hintergrunde der dann gewonnenen Resultate nicht als ein bedeutungsvoller Zug betrachtet werden sollte.

1) Kosmos I, 492.

2) Zu meiner Verwunderung habe ich diesen seltsamen Satz, der doch selbst bei Berücksichtigung der am Anfange dieses Jahrhunderts verbreiteten Kenntnisse Anstoss erregt, in einer erst vor drei Jahren erschienenen Ausgabe Herodots reproducirt gefunden. A. v. Humboldt's Bemerkung ist also auch jetzt noch zeitgemäss.

3) Niebuhr, Untersuchungen über die Geschichte der Skythen, Geten und Sarmaten, in den kleinen historischen und philologischen Schriften, erste Sammlung, Bonn 1828, Seite 361.

4) Grimm (Gesch. der deutschen Sprache Bd. I) stützt sich vornehmlich auf die Angaben Lucians, eines Schriftstellers, zu dessen Zeiten Herodots Skythen längst untergegangen waren.

Körperbeschaffenheit der Skythen.

Wir haben das seltene Glück, aus der Feder des ersten grossen Arztes, dessen sich Griechenland rühmen konnte, eine Skizze zu besitzen, in welcher auch die Körperbeschaffenheit der Skythen gezeichnet ist. Ob Hippokrates selbst die pontischen Küstenländer bereist hat, ist uns unbekannt; seine Bemerkungen über die Natur des kolchischen Landes sind von einer so überraschenden Wahrheit, dass sie in ihrer gedrungenen Kürze die weitläuftigsten Beschreibungen neuerer Reisenden aufwiegen und den Eindruck eines Urtheils nach eigner lebendiger Anschauung hinterlassen; und in der That hatten einzelne jener Gegenden für den Arzt ein ganz besonderes Interesse. In Taurien soll zuerst die Kraft heilsamer und giftiger Kräuter entdeckt worden sein '). Das Königreich Pontos und Kolchis waren alte Sitze medicinisch-botanischer Wissenschaft, die hier, wie bekannt, bis auf Mithradats Zeit geblüht hat. Unter den officinellen Kräutern, welche die griechischen Aerzte anwendeten, ist eine auffallende Zahl dort und in den nördlichen Steppen heimisch 2). Hippokrates selbst kannte auch die Heilkraft der Stutenmilch bei Lungen- und andern innern Krankheiten 3). In Pantikapaion hatte nicht nur Asklepios einen Tempel, sondern auch Apoll wurde als Heilgott verehrt, und ein Fürstensohn verschmähte es nicht, das Priesterthum des Gottes zu bekleiden 4). Es wäre demnach nicht zu verwundern, wenn Hippokrates jene Gegenden aufgesucht hätte, um aus der vieljährigen Empirie, die sich bei der Priesterschaft der Heilgötter fortgepflanzt hatte und die auch später den Römern als eine wichtige Quelle der Wissenschaft erschien 5), Belehrung zu schöpfen.

1) Durch Hekate, eine Tochter des Perseus, Königs von Taurien, und eines einheimischen Weibes. So erzählt Dionysios von Mytilene (Schol. Apoll. Rhod. III, 200. Fragment 4 bei Müller II, p. 8). Sie heirathete ihren Oheim, Aietes von Kolchis, und gebar die Kirke und Medeia, die, wie Dionysios bemerkt, лo¿¿à zaì Sɛvà qáquaza von der Mutter lernten, viele auch selbst entdeckten.

[ocr errors]

2) Man hielt die dort wachsenden Pflanzen für besonders heilkräftig. Unter allen Arzneien“, sagt Theophrast,,, sind im Ganzen genommen diejenigen besser, die aus winterlichen, nördlichen und trocknen Gegenden kommen." (Hist. plant. IX, 20.) Er sowol wie Plinius führen eine Menge skythischer Heilkräuter an. 3) Hippocr. de intern. affect. ed. Foës, Sect. V, p. 95. 110. 112.

4) Bulletin de la société d'Archéologie et de Numismatique de St. Pétersb. 1847, p. 30. Dubois de Montpéreux voyage autour du Caucase V, p. 128.

5) Mithradat hatte eine medicinische Bibliothek, die Pompejus ins Lateinische übersetzen liess. Plin. hist. nat. XXV, 3. Der König selbst hatte eine medicinische Abhandlung geschrieben. Plin. XXIII, 77.

Hervorstechende Absonderlichkeit des skyth. Menschenschlages.

149 Doch wie dem auch sein möge: Hippokrates schrieb zu einer Zeit, in welcher die Beziehungen Athens zur Nordküste des Pontos festgegründet waren; schon zu Xerxes Zeit war der pontische Getreidehandel in geregeltem Gange und für Athen von grosser Wichtigkeit; und man kann nicht zweifeln, dass bei dem regen Verkehr hin und wieder auch Skythen nach Attika kamen, sei es als neugierige Reisende, oder als Bemannung der Schiffe, oder als Sklaven. Wir verweisen beispielshalber auf Anacharsis, auf die skythischen Zecher, an deren Umgang der spartanische König Kleomenes (Leonidas' Bruder) so grosses Behagen fand), und darauf, dass schon bei Aristophanes Skythes und Skythaina als Sklavennamen vorkommen 2). Es fehlte demnach einem so eifrigen Anthropologen wie Hippokrates nicht an Gelegenheit, die Eigenthümlichkeiten jener seltsamen Menschenrace aus eigner Anschauung kennen zu lernen, so dass wir in Bezug auf die Körperbeschaffenheit eines im Alterthum auftretenden Volkes in der That keine bessere Autorität wünschen können, als die eines unter solchen Verhältnissen lebenden, gleichzeitigen bedeutenden Arztes, dessen Auge für dergleichen Beobachtungen geübt war. Ueber solche Zeugnisse wie über unerhebliche Aussagen vornehm hinwegzusehen, ist kein Zeichen einer besonnenen Kritik, sondern des Mangels an Kritik.

Hippokrates erkannte in den Skythen einen ganz eigenthümlichen Menschenschlag, der mit keinem andern zu vergleichen sei. „In Bezug auf die Gestalt der übrigen Skythen," sagt er nach einigen Bemerkungen über die Sarmaten, kann man dasselbe wie in Bezug auf die Aegypter sagen, dass sie nämlich nur sich selbst gleichen und durchaus keinem andern Volke; nur dass den Einen durch die Hitze, den Andern durch die Kälte ihr Typus aufgeprägt ist“ 3), — und an einer andern Stelle: „, was ihre Gestalt betrifft, so weicht das skythische Volk sehr weit von allen andern Menschen. ab und gleicht nur sich selbst, wie das ägyptische"). Herodot

1) Herod. VI, 84.

2) Suidas sagt geradezu: Σκύθαινα, ἡ ὑπηρέτις· Ἀριστοφάνης· ποῦ ἐσθ' Ezú9aiva; In der Lysistrate.

3) Περὶ δὲ τῶν λοιπῶν Σκυθέων τῆς μορφῆς, ὅτι αὐτοὶ ἑωϋτοῖσι ἐοίκασι καὶ οὐδαμῶς ἄλλοισι, ὦ ὑτὸς λόγος καὶ περὶ τῶν Αἰγυπτίων· πλὴν ὅτι οἱ μὲν ὑπὸ τοῦ θερμοῦ εἰσι βεβιασμένοι, οἱ δὲ ὑπὸ τοῦ ψυχροῦ. Hippocr. de aëre, aquis et locis §. 91.

4) Περὶ τῆς μορφῆς, ὅτι πουλὺ ἀπήλλακται τῶν λοιπῶν ἀνθρώπων τὸ Σκυθικὸν γένος καὶ ἔοικε αὐτὸ ἑωυτές, ὥσπερ τὸ Αἰγύπτιον. Hippocr. 1. 1. §. 94.

« FöregåendeFortsätt »