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obern laxartes, in denen wir die noch kenntlichen Spuren eines Aufenthalts der Skythen fanden. Hier hatte das wandernde Volk eine Periode der Macht, wie aus Diodors Nachricht über Palen und Napen hervorgeht, über Skythenstämme, die sich so bemerklich gemacht hatten, dass auch die Quellen, aus welchen Plinius schöpfte, es nicht für unwichtig hielten, ihren Untergang zu verzeichnen; hier blieb auch ein Theil des Volkes zurück, denn Plinius erwähnt hier Euchatae, Cotieri, zwei Skythenstämme, die in der Nationalsage der pontischen Skythen eine Rolle spielen, während ein anderer nordwestlich dem Rande der heutigen Kirgisensteppe folgte und am südlichen Ural neue Sitze gewann, vielleicht gleichzeitig mit einem Theile der Issedonen und in Folge desselben Ereignisses; denn Issedonen finden wir ebenfalls am südlichen Ural und am obern laxartes. Doch auch in den neuen Sitzen fand das Volk keine bleibende Stätte: Völkerbewegungen im innern Asien, unter deren Wirkungen sowol die Massageten wie ihre nördlichen Nachbarn, die Issedonen, litten, zwangen diese Stämme, die Skythen noch weiter westwärts zu drängen, und das Andenken daran erhielt sich bei den Massageten wie bei den Issedonen: jedes dieser Völker sprach sich selbst den hervorragendsten Antheil an jenen Ereignissen zu. Die Skythen wurden in die westlichen Landschaften des heutigen Orenburgschen Gouvernements zusammengedrängt; aber da hier das Weideland im Westen und Norden durch die Urwälder, welche damals die Gouvernements Perm, Pensa, Simbirsk und Saratow bedeckten, eng begrenzt war, musste ein Theil des Volkes weiter entfernte Wohnsitze suchen. Er fand sie in dem nächsten waldarmen Lande, in den weidereichen Gegenden nördlich vom Pontos. Ein anderer Theil blieb im Orenburgschen zurück, wo er noch von den nach dem Ural reisenden griechischen Kaufleuten gefunden wurde. So geben uns die Natur mit ihren bleibenden Verhältnissen und einzelne zerstreute geographische Notizen das Material, mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit im Grossen und Ganzen den Gang einer Völkerbewegung zu zeichnen, die einige Jahrtausende vor dem Beginn unserer Zeitrechnung ausgeführt wurde.

Umfang und Bevölkerung des Skythenlandes.

Die Grenzen des Gebietes, welches der am weitesten vorgeschobene und verlorene Posten der mongolischen Nation am Pontos einnahm, sind von neuern Geographen noch immer zu weit ausgedehnt worden. Im Osten trennte der Don die Skythen von den Sarmaten; im Süden

erreichten sie das asowsche und das schwarze Meer, mit Ausnahme des kleinen gebirgigen Striches auf der taurischen Halbinsel. Sie nomadisirten also auch in den Steppen der Krim: Herodot bemerkt ausdrücklich 1), dass das Gebiet der sogenannten königlichen Skythen bis in die taurische Halbinsel reichte und zwar ostwärts bis zu dem Graben, den angeblich skythische Sklaven vom schwarzen Meere bis zum asowschen über den Isthmus gezogen hatten, durch welchen die bosporanische Halbinsel in der Gegend von Kaffa mit der Hauptmasse der Krim zusammenhängt; jenseits dieses Grabens wohnten vermuthlich nichtskythische Stämme und die unter ihnen ansässigen Griechen 2). Mit diesen Angaben Herodot's stimmen zwei andere alte Geographen genau überein: Skylax, der die Nordküste des Pontos von Westen nach Osten beschreibt, fand ebenfalls nach dem taurischen Gebirge wiederum Skythen 3), so dass diese wirklich, wie Herodot versichert, auch an der östlichen Hälfte des schwarzen Meeres sassen; und Ephoros bezeichnet die Grenzen noch genauer, woraus erhellt, dass er auch hier nicht blindlings die herodoteischen Nachrichten reproducirte. Ihm zufolge bewohnten die Taurer das Gebirge nur bis Athenaion, zwischen diesem Hafen und Kytai fanden sich aber bereits Skythen*): jene hatten also das Gebirge nur so weit inne, als seine ältere Formation

1) Herod. IV, 20.

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2) Herodot spricht IV, 28 allerdings von Skythen innerhalb des erwähnten Grabens, und ich glaube die Stelle so auffassen zu müssen, dass er hier die Bewohner der bosporanischen Halbinsel im Auge hat. Allein wenn er hinzusetzt, dass diese Skythen auf dem Eise des Bosporos mit ihren Streitwagen gegen die Sinder zu Felde zögen, so berechtigt er uns zu der Vermuthung, dass es sich hier um nichtskythische Stämme handelt. Von Streitwagen zeigt sich bei den Skythen keine Spur, ausser im Propheten Jeremias in Bezug auf die vermeintlichen Skythen, die in Vorderasien eingefallen waren. Nach Allem, was wir von den pontischen Skythen wissen, waren sie nur geeignet, zu Pferde zu kämpfen: wir erinnern an Hippokrates' Bemerkungen. Ebensowenig findet sich eine Andeutung, dass sie Pferde als Zugvieh benutzt hätten.

3) Ἐπὶ δὲ τῇ Σκυθικῇ ἐποικοῦσι Ταῦροι ἔθνος ἀκρωτήριον τῆς ἠπείρου· εἰς θάλασσαν δὲ τὸ ἀκρωτήριόν ἐστι. Ἐν δὲ τῇ Ταυρικῇ οἰκοῦσιν Ἕλληνες οἵδε· Χερρόνησος ἐμπόριον. Κριοῦ μέτωπον ἀκρωτήριον τῆς Ταυρικῆς. Μετὰ δὲ ταῦτα (nicht τοῦτο, wie diejenigen, welche den Widderkopf als Grenze angeben, falsch interpretirt haben; Skylax sagt:,, nach allen genannten Localitäten“) εἰσὶν Σκύθαι πάλιν, πόλεις δὲ ̔Ελληνίδες αἵδε ἐν αὐτῇ· Θευδοσία 2. T. . Scylac. peripl. (ed. Klausen) p. 208.

4) Scymn. Chii fragm. 89. 90 (bei Gail II, p. 320). Dass er hier aus Ephoros geschöpft hat, wäre auch ohne seine Versicherung nachweisbar.

reicht, während die Alpentriften der sanftern Vorberge zwischen dem Vorgebirge Kiik Atlama und Theudosia von Skythen besucht waren.

Schwieriger ist es, die Westgränze zu bestimmen. Herodot hatte hier Nachrichten über verschiedene Flüsse, die in das linke Ufer der Donau fielen: über den Pyretos (Pruth), Araros (Sereth?), Naparis (Jalomnitza?), Ordessos (Ardsisch) und Tiarantos (Alutha?); er nennt sie sämmtlich skythische Flüsse 1), und wir dürfen demnach annehmen, dass die Skythen nicht nur in den Steppen der heutigen Moldau, sondern auch in der walachischen Ebene nomadisirt haben. Weiter nördlich stiessen sie an die goldreichen Agathyrsen, im heutigen Siebenbürgen.

Als nördliche Grenzvölker nennt Herodot die Neuren, Androphagen und Melanchlainen. Die meisten neuern Erklärer haben die Sitze dieser Stämme viel zu weit nach Norden geschoben, weil sie sich nicht auf solche positive und detaillirte Angaben, die ihrer Natur wie ihrem Ursprunge nach einen gewissen Grad von Zuverlässigkeit besitzen, sondern auf einige allgemeine, schwer zu entwirrende oder mit dem Geiste des Systems getränkte und deshalb verdächtige Bemerkungen alter Schriftsteller stützten. Sie haben sich vornehmlich auf die Stelle berufen, in welcher Herodot seine Ansicht über die Form Skythiens ausspricht, und nicht bedacht, dass zur Zeichnung eines solchen Gesammtbildes eine Fülle von Entfernungsangaben nach verschiedenen Richtungen und mit genauer Beobachtung der Himmelsgegend gehört; in letzterer Beziehung waren aber die Griechen, mit Ausnahme der Seeleute, notorisch schwach. Herodot selbst hat sich in Skythien so wenig orientiren können, dass er keine Vorstellung davon hatte, wie stark sich die skythischen Ströme in ihrem untern Laufe nach Westen wenden. Wenn er sich nun die Gestalt des Landes viereckig denkt, und zwar so, dass zwei Seiten vom Meere bespült werden; wenn er die Gestalt der Krim mit der Form der attischen oder japygischen Halbinsel vergleicht; wenn seiner Vorstellung nach das asowsche Meer und der Don gerade von Norden nach Süden gerichtet waren: so überzeugt man sich, dass die Zahlenangaben, die er in diese höchst irrige Vorstellung verwebt, nicht geeignet sind, weitern Schlüssen zum Grunde gelegt zu werden. Sie bedürfen zunächst selbst einer Erklärung; und bevor es nicht gelungen ist, mit Sicherheit das Material nachzuweisen, welches Herodot zur Zeichnung seines Bildes verleitete, wird es besser sein, sich an specielle und klare Angaben zu halten.

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Zweitens haben sich die Ausleger dadurch vielfach irre führen lassen, dass Herodot die Quellen des Dnjestr, Bug und Don erwähnt. Da nun seit einiger Zeit gewöhnlich angenommen wird, dass der Don, wirklich, wie Herodot sagt, aus einem See entspringt, so hat man voll Bewunderung gegen den Vater der Geschichte geschlossen, dass seine Kenntniss des europäischen Nordens über alle Beschreibung genau sei und sich mindestens bis nach Galizien, Wolhynien und Rjäsan ausdehne, ohne zu fragen, ob mit irgend einem Grade von Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt werden kann, dass dem alten Historiker wirklich zuverlässige Angaben über die Quellen jener Ströme zugegangen sind. Aber wie sollten Griechen in einem Lande, in dem sie nur den äussersten Küstensaum bewohnten, zu solcher Kenntniss gelangen? Die Karavanen, welche des Handels wegen das Land durchzogen, hielten sich ohne Frage an einer festen Route, und hatten andere Dinge zu thun, als den Quellen der Flüsse nachzuspüren. Das Letztere hat nur für die Wissenschaft einen Nutzen; das praktische Leben kümmert sich um solche Kenntniss nicht, und sie stellt sich daher auch meistens erst sehr spät ein, wenn sie sich nicht, wie in stark bewohnten und civilisirten Ländern, mühelos und von selbst ergiebt. Ich will nicht daran erinnern, wie lange unser wissenschaftliches Jahrhundert an der Entdeckung der Quellen des Nil und des Niger arbeitet; ich kann näher liegende Beispiele anführen, und dreist behaupten, dass vielleicht noch heute Niemand die wahren Quellen der Wolga mit Bewusstsein gesehen hat. So gering nun für die griechischen Kaufleute die Veranlassung war, in Wäldern und Sümpfen dem Ursprunge der skythischen Ströme nachzuspüren, eben so gross war bei dem Anblick dieser mächtigen Gewässer die Neigung, darüber Vermuthungen zu äussern, und viele Olbiopoliten mögen behauptet und es sich auch eingebildet haben, dass sie auf ihren Handelsreisen an den Quellen derselben vorübergekommen wären. Aber diese Kaufleute, die von ihren Führern stets auf gleichen Wegen zu solchen Stellen geleitet wurden, wo Fuhrten oder Inseln den Uebergang über die grossen Ströme erleichterten, konnten aus eigener Wissenschaft nur erzählen, wie viel Gewässer sie bis zum Ende ihrer Reise zu überschreiten hatten, welchen Namen sie führten, und wie weit sie (an den Uebergangsstellen) von einander entfernt wären: in Bezug auf ihren obern und untern Lauf waren sie dagegen lediglich auf eigene Vermuthungen, oder auf die Aussagen der Eingeborenen beschränkt, die natürlich in Bezug auf grosse Ströme meistens auch sehr schlecht unterrichtet waren. Man darf nicht übersehen, dass die Nachrichten, die man von den letzteren einziehen

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konnte, schon ihrer Natur nach von sehr verschiedenem Werth und sehr verschiedener Glaubwürdigkeit sind: die Barbaren konnten füglich ,wissen, welche Stämme in ihrer Nachbarschaft lebten; ob diese eine fremde Sprache redeten, welche Sitten unter ihnen herrschten, durch welche Producte ihr Land sich auszeichne. Derartige Angaben haben im Allgemeinen einen gewissen Grad von Zuverlässigkeit. Aber die Uebersicht über ein grosses Stromsystem- und ohne sie ist eine begründete Angabe über die Quellen nicht möglich setzt einen ganz andern Grad von Territorialkenntniss voraus, wie er nur durch Karten und astronomische Bestimmungen, oder durch die lebhaftesten Verkehrsverhältnisse nach allen Richtungen hin hervorgerufen werden kann. Wer eine geographische Nachricht mit Kritik behandeln will, muss ihre Entstehung prüfen; er muss die Grösse des Fehlers zu veranschlagen wissen, den ihr materieller Inhalt möglich macht; und hier ergiebt sich schon aus geringer Uebung die Ueberzeugung, dass hydrographische Nachrichten über wenig bekannte Länder den ethnographischen und orographischen an Zuverlässigkeit weit nachstehen. Mit den Eingebornen kommt der Reisende täglich zusammen und kann sie kennen lernen; ein Gebirge und seine ungefähre Richtung erblickt er schon aus der Ferne und behält es lange im Auge; ein Fluss dagegen entzieht sich rasch seinen Blicken; er überschreitet ihn vielleicht an einer Stelle, wo eine Krümmung desselben ganz verkehrte Vorstellungen über seine Hauptrichtung hervorruft.

Wenn es nun schon aus innern Gründen höchst wahrscheinlich ist, dass Herodots Nachrichten über die Quellen der grossen skythischen Ströme nichts mehr als von seinen Gewährsleuten auf gut Glück gerathen sind, so wird diese Meinung noch durch die Thatsache bestärkt, dass der alte Historiker in viel näher gelegenen Gegenden, zwischen Dnjepr und Don, ein höchst abentheuerliches Flusssystem beschreibt, welches mit den wahren Verhältnissen unvereinbar und für alle Erklärer des alten Geschichtschreibers ohne Noth eine schwere Plage geworden ist 1). Oestlich vom Borysthenes nennt er zunächst

1) Herr Lindner hat zur Erklärung des herodoteischen Flusssystems folgende Schriften veröffentlicht: „, Skythien und die Skythen des Herodot und seine Ausleger nebst Beschreibung des heutigen Zustandes jener Länder. Stuttgart. 1841"; ,, Explication nouvelle des données géographiques d'Hérodote concernant la Scythie“ in den Annales des voyages 1845. I"; · und,, Skythien und die Skythen des Herodot. Nachtrag," im achten Supplementbande der neuen Jahrbücher der Philologie 1842. Ich habe alle drei Schriften gelesen, kann aber von ihnen keinen andern Gebrauch machen, als dass ich sie der Lectüre aller einer Erheiterung bedürftigen Philologen angelegentlichst empfehle.

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