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fluchtsorte für die längs der Küste segelnden hellenischen Schiffe, hauptsächlich des ergiebigen Fischfanges 1) und des Salzgewinnes wegen angelegt waren; das Dorf des Hermonax und Physke waren vermuthlich Ackercolonieen, Harpis eine Ansiedelung auf einer bereits von den alten Landeseinwohnern bebauten Stelle; denn südlich von den Tyrangeten, den Tyras-Anwohnern, lebten nach Ptolemaios die Arpier 2), und es liegt nahe, dass entweder hier Harpier, oder dort der in ihrem Gebiete gelegene Ortsname Arpis geschrieben werden muss.

Die nächste Station, östlich von Ordesos, 80 Stadien davon entfernt, bildete die kleine vor der Mündung des Dnjepr-Liman's gelegene Insel Beresan, die von Ptolemaios Borysthenis genannt wird. Sie gehörte schon zu dem Gebiete von Olbia. Da es unsere Absicht ist, die Schicksale dieser bedeutenden Stadt und die Völkerbewegung, durch die sie bedingt wurden, in einem besondern Abschnitt auseinander zu setzen, enthalten wir uns hier des topographischen Details, und gehen mit der kurzen Bemerkung, dass die Trümmer Olbia's am rechten Ufer des Bug, südlich von dem Flecken Ilinsky, liegen, sofort zur Beschreibung des jenseits der Dnjepr-Mündung sich hinziehenden Küstenstrichs über.

Die Achilles-Laufbahn, der Meerbusen Karkinites und die Nordwestküste Tauriens.

Am linken Ufer des Dnjepr beginnt die niedrige Steppe (S. o., S. 16), die sich nach Süden hin bald so sehr senkt, dass die Meereswogen über sie hinrollen und einen tief einschneidenden Busen bilden, der die taurische Halbinsel von dem Festlande trennt und im Osten durch den Isthmus von Perekop begrenzt wird. Die Küste des taurischen Continents besitzt keinen brauchbaren Hafen, und die Bucht selbst ist so seicht, dass sie den Schiffen kaum zugänglich ist 3); selbst die Griechen mit ihren kleinen Fahrzeugen scheinen selten in sie eingedrungen zu sein, wie aus der Unsicherheit ihrer Angaben über den Umfang des Busens gefolgert werden kann. Dass Strabon, Plinius, Mela und Ptolemaios diese Küste nicht als Augenzeugen beschreiben, wird Niemand bezweifeln; aber auch Arrhian und der unbekannte Verfasser des Schiffstagebuches oder ihre Gewährsmänner sind nicht längs der Küste bis zu dem Isthmus gefahren, welcher die taurische Halbinsel mit dem Continent verbindet. Arrhian's Angaben über die Entfernungen der einzelnen

1) Dies gilt auch yon Ordesos, an dessen Stelle Fredutio den Namen grotte de tonne setzt.

2) Ptolem. III, c. 10, § 13. 3) Hommaire de Hell, III, p. 94.

Punkte lassen vielmehr erkennen, dass er selbst oder sein Gewährsmann von dem „, schönen Hafen“ an der Nordküste Tauriens quer über die Bucht nordwärts schiffte, ohne ihr Inneres zu besuchen; und der Anonymus bemüht sich so sichtlich, Strabon's und Arrhian's Ausdrücke zu interpretiren, und schliesst sich in den Zahlenangaben so genau an den erstern an, dass wir eigne und neue Kenntnisse in seinem Bericht nicht erblicken können 1).

Hieraus erklären sich die unrichtigen Vorstellungen der Alten über Richtung und Grösse der Bucht, die von ihnen bald der Karkinites, bald die Bucht von Tamyrake genannt wird. Strabon und Ptolemaios glaubten, dass sie tief nach Norden in das Land schneide 2), parallel der Richtung, die sie allen Gewässern dieser Küste zuschrieben. Da sie dem Borysthenes überall einen südlichen Lauf anwiesen, gewannen sie auch für die nördliche Richtung der Meeresbucht Raum. Die Grösse derselben war an sich schwer zu bestimmen, da die Küste zerrissen ist und die Angaben verschieden ausfallen müssen, je nachdem man ihren Einbiegungen mehr oder weniger folgt. So lagen Strabon höchst abweichende Zahlen vor; er selbst nimmt die Ausdehnung auf 1000 Stadien an, was bei den von ihm bezeichneten Anfangspunkten selbst für den Umfang der Bucht zu viel ist; bemerkt aber doch, dass sie nach andern Angaben dreimal so gross wäre 33).

1) Wenn der Anonymus sagt: ἀπὸ δὲ τοῦ ἀκρωτηρίου Ταμυράκης παρήκει ὁ Ἀχίλλειος δρόμος, ὅπερ ἐστὶν γων, τοῦτ ̓ ἐστὶν αἰγιαλὸς σφόδρα μι zoù zai oterǹ z. t. 2., so interpretirt er Arrhian, der die Achilles-Laufbahn nicht erwähnt, aber von ïóves spricht; und die Ausdrücke des Anonymus: zaτà μéoŋv δὲ αὐτῆς (der Achilles-Laufbahn) αὐχὴν ἰσθμοειδής, τοῦτ ̓ ἐστὶν στενώδης, τῇ ἠπείρῳ ἤτοι τῇ γῇ συνάπτει, sollen offenbar Strabon's Worte erläutern, der von derselben Nehrung sagt: διέχουσα τῆς ἐκατέρωθεν τοῦ αὐχένος ἠπείρου σταδίους ἑξήκοντα und den Landstrich, der die Nehrung mit dem Festlande verknüpfte, stets τὸν τοῦ ἰσθμοῦ αὐχένα nennt.

2) Strabon bemerkt dies ausdrücklich, und wenn Ptolemaios die Bucht so tief nach Norden dringen lässt, dass er die Mündung des Karkinitesflusses unter dieselbe Breite wie die Borysthenesmündung setzen konnte, so zeigt er sich von demselben Irrthum befangen. Der gelehrte Alexandriner wurde dazu durch eine ungenaue Angabe über die Dauer des längsten Tages in Tamyrake verleitet, die er zu hoch auf gerade 16 Stunden berechnet fand. Ptol. VIII. 10.

3) Die letzte Zahl soll nämlich nur für den nördlichen Theil der Bucht, bis zum Isthmus von Perekop gelten, - was vielleicht nur ein Missverständniss Strabon's ist, welches aus seiner irrigen Vorstellung über die Richtung des Meerbusens herfloss. Eine Berechnung des Umfangs wird übrigens auch dadurch erschwert, dass sich die Bucht nach dem offenen Meere unmerklich erweitert, also keine markirten Anfangspunkte hat.

Wenn nun das Innere der Bucht von Tamyrake in Folge ihrer Beschaffenheit für den Handel keine Wichtigkeit hatte, so erlangte die vorliegende Küste des Continents durch ihre absonderlichen Umrisse für den Cultus der Griechen eine hohe Bedeutung. Sie wird nämlich in paralleler Richtung von einer langen, schmalen Nehrung begleitet, die etwa auf der Mitte des Weges von der Borysthenesmündung zum Isthmus von Perekop durch eine Landenge mit dem Continent in Verbindung steht. Die Länge der Nehrung giebt Köhler auf 105 Werst an '); aber aus dem seiner Abhandlung beigefügten Kärtchen ergiebt sich, dass ihre Ausdehnung mindestens auf 115 bis 120 Werst, d. h. auf 161⁄2 deutsche Meilen oder etwa 660 Stadien veranschlagt werden muss. Diese lange Landzunge erhebt sich wenig über den Meeresspiegel; an vielen Stellen ist sie den Ueberfluthungen des Meeres ausgesetzt 2), und ihr westlicher Theil ist jetzt in zwei längliche Inseln zerrissen, welche den Namen Tendera führen, während die östliche Landzunge, Djaril Agatsch genannt, noch zu der Zeit, als die der Abhandlung Köhlers beigefügte Karte entworfen wurde, eine zusammenhängende Nehrung bildete. Seit dem Jahre 1834 soll indess auch diese Hälfte durch einen Durchbruch in eine Insel verwandelt worden sein 3).

Es scheint, dass die Griechen einen flachen Meeresstrand oder auch ein ähnliches Flussufer mit festem Sandboden als ein für den Wettkampf im Laufe besonders geeignetes Terrain und deswegen als Lieblingsplätze Achills betrachteten, der seiner Schnellfüssigkeit wegen vor allen Heroen des Alterthums gepriesen und schon in den homerischen Gedichten mit einem auf diese Eigenschaft bezüglichen stehenden Beiwort beehrt war. Es wird berichtet, dass die Alten derartige Landstriche ganz allgemein,, Achills Laufbahnen" nannten 1). Noch viel näher lag dies bei einer schmalen, fast überall vom Meer umgebenen Nehrung, wo die Natur selbst eine vortreffliche Rennbahn abgesteckt zu haben schien, so dass es selbst dann, wenn die Griechen nicht voll von den Mythen gewesen wären, welche dem troischen Helden nach seinem frühen Tode in diesen Gegenden einen seligen Aufenthalt anwiesen, nicht verwundern dürfte, dass sie einem Küstenstrich von

1) Köhler, mémoire sur les îles et la course consacrées à Achille, in den Abhandlungen der Petersburger Akademie der Wissenschaften, Bd. X. 1826. S. 618. 2) Köhler, a. a. O., S. 554. 620.

3) Vgl. Zeune,,, über die Inseln und die Rennbahn des Achilles", in Berghaus Annalen der Erdkunde Bd. XI, 1835, S. 330.

4) Διονύσιος ὁ Ἀλβανὸς ἱστορεῖ τὰς εὐρείας ήϊόνας λέγεσθαι Αχιλλέως Agóuous. Schol. Apoll. Rhod. II, 658.

so ausgezeichneter Form den Namen der Achilles - Laufbahn beilegten. Ueber die Verehrung, welche dieser Heros am Nordufer des Pontos genoss, und über den hierauf bezüglichen Sagenkreis werden wir ausführlicher bei der Darstellung der Verhältnisse Olbia's sprechen: hier genügt uns die Bemerkung, dass schon Herodot das bezeichnete Terrain unter dem Namen der Achilles-Laufbahn kennt 1), und dass auch Euripides von Achills schönen Rennbahnen im Pontos spricht 2). Seitdem wird die merkwürdige Landzunge oft und ausführlich beschrieben; am Genauesten, in sachlicher Hinsicht, von Strabon.

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Verlässt man die Insel vor der Borysthenes-Mündung" sagt dieser Geograph, „so fährt man ostwärts zur Spitze der Achilles-Laufbahn, einem Punkte, der allerdings baumlos ist, aber doch,,Hain" genannt wird und Achill geweiht ist 3). Dann folgt die Achilles-Laufbahn, eine flache, sich am Meere hin erstreckende Halbinsel; sie ist wie ein Band, nach Osten hin ungefähr 1000 Stadien lang, höchstens 2 Stadien und an der schmalsten Stelle nur vier Plethren (400 Fuss) breit, und entfernt sich zu beiden Seiten des Isthmus 60 Stadien von dem Festlande. Sie ist sandig, hat aber Brunnenwasser; der Isthmus an ihrer Mitte ist etwa 40 Stadien breit. Sie endet in der Richtung auf ein Vorgebirge, welches Tamyrake heisst und einen nach dem Festlande blickenden Ankerplatz bildet. Nach diesem Vorgebirge folgt der geräumige Meerbusen Karkinites, der sich nach Norden hin ungefähr 1000 Stadien weit erstreckt; die Anwohner sie heissen Taphrier - behaupten,

1) Der Fluss Hypakyris lässt zu seiner Rechten τήν τε Υλαίην καὶ τὸν Αχιλλήϊον καλεόμενον Δρόμον. Herod. IV, 55. 'Η δὲ Υλαίη ἐστὶ μὲν παρὰ τὸν Ἀχιλλήϊον Δρόμον. IV, 76.

2) τὰν πολυόρνιθον ἐπ' αἶαν Λευκὰν ἀκτὴν Ἀχιλῆος, Δρόμους καλλισταδίους, εὔξεινον κατὰ πόντον. Eurip. Iphig. in Taur. 435 39.

3) Köhler meint, dass Strabon unter diesem heiligen Vorgebirge ebensowenig die westliche Spitze der Achilleslaufbahn verstehe, wie unter dem Cap Tamyrake die östliche. Das ist irrig; denn Strabon sagt ausdrücklich: о πlous čσtiv ἐπὶ ἄκραν τὴν τοῦ Ἀχιλλείου δρόμου, und eben so wenig stichhaltig ist köhlers Bemerkung, dass Strabon, wenn dieses seine Meinung gewesen, nicht hätte fortfahren können: εἶτα ὁ ̓Αχίλλειος δρόμος. Mit dem Vorgebirge Tamyrake hat es eine andere Bewandtniss; denn Strabon sagt von der Nehrung, TɛλEUTÕ π Qòs ἄκραν, ἣν Ταμυράκην καλοῦσιν, eine Wendung, die ich im Text richtig übersetzt zu haben glaube. Dass Strabon von der Existenz zweier Spitzen, der Westspitze der Achilleslaufbahn und der Spitze von Kinburn, vielleicht keine Vorstellung hatte, ist möglich, aber es folgt aus seinen Worten nicht; den von ihm erwähnten Hain Achills bezeichnet er wenigstens ausdrücklich als die westliche Spitze der Laufbahn.

dass es bis zur innersten Bucht dreimal so weit sei. Den Meerbusen nennt man auch Tamyrake, eben so wie das Vorgebirge".

Mit dieser Beschreibung stimmt das anonyme Schiffstagebuch in vielen Einzelnheiten so genau überein, dass man annehmen muss, sein Verfasser habe Strabon's Bericht vor Augen gehabt oder mit ihm aus gleichen Quellen geschöpft. „Nach dem „,,,schönen Hafen"" (an der Nordküste Tauriens)", heisst es in dem Tagebuch,,, fängt der Meerbusen Karkinites an, der sich bis Tamyrake erstreckt und einen Umfang von 2250 Stadien hat; wenn man aber nicht längs der Küste, sondern in gerader Linie über den Eingang des Busens schifft 1), sind es nur 300 Stadien. Von dem Vorgebirge Tamyrake ab erstreckt sich die AchillesLaufbahn, welche ein Strand oder ein sehr langes und schmales Meerufer ist, in einer Ausdehnung von 1200 Stadien. Ihre Breite beträgt 4 Plethren, und ihre Spitzen sind Inseln; sie ist 60 Stadien vom Festlande entfernt. In ihrer Mitte knüpft sie ein isthmusförmiger, d. h. schmaler Rücken, der 40 Stadien breit ist, an den Continent oder das Land. Wenn man nun von Tamyrake längs der erwähnten Laufbahn zu dem andern Vorgebirge derselben, welches,, der heilige Hain der Hekate" genannt wird, hinfährt, muss man die oben erwähnten 1200 Stadien zurücklegen. Vom heiligen Haine der Hekate bis zum schiffbaren Strome Borysthenes sind noch 200 Stadien“.

In diese Darstellung haben sich einige Missverständnisse eingeschlichen, welche beweisen, dass der unbekannte Verfasser nicht eigene Messungen mittheilt, sondern nach fremden Quellen gearbeitet hat. Ihre Aufklärung ist für die Topographie nicht ohne Interesse.

Die Naturbeschaffenheit, die Breite der Nehrung und des Landstrichs, durch den sie mit dem Festlande zusammenhängt, wie die Ent

1) So muss man wol die gewöhnliche Lesart übersetzen: μǹ rɛqırλéovti τοίνυν αὐτὸν (τὸν Καρκινίτην), ἀλλ ̓ ἐπ ̓ εὐθείας διαπλέοντι τὸν ἰσθμόν εἰσὶν στ. 300, -so dass touòs hier nicht die Verbindung zwischen zwei Ländern, sondern zwischen zwei Gewässern bedeutet, eine Anwendung des Wortes, die zwar auffallend ist, aber nach der Etymologie nicht unzulässig erscheint. Nahe lage es freilich, zu corrigiren ἐπ ̓ εὐθείας διαπλέοντι εἰς τὸν ἰσθμὸν, d. h. in gerader Richtung zum Isthmus von Perekop; aber dieses wäre kein entsprechender Gegensatz zu лeqiriɛiv, und auch die Thatsache selbst, dass griechische Schiffe bis in das Innere der Bucht gedrungen sind, ist mir zweifelhaft. Strabon beruft sich in Bezug auf die Grösse des Busens positiv auf das Zeugniss der anwohnenden Taphrier. Die gewöhnliche Lesart scheint mir also trotz der seltenen Anwendung des Ausdrucks lσ9μós viel vorzüglicher, und für die letztere giebt Hesychius Glosse εἰσθμός, εἴσοδος ὕδατος στενή den Schlüssel.

Hell. im Skythenl. I.

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