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Problem-Turnier der British Chess-Association.

Von J. BERGER.

Das kürzlich durch Zuerkennung der Sendungspreise in der Hauptsache zum Abschluss gekommene Problem - Turnier der British ChessAssociation hat den meisten Bewerbern sowohl als allen Problemfreunden eine ganz besondere Enttäuschung bereitet.

Die beiden vorhergegangenen Problem-Turniere derselben Körperschaft (1862 und 1867) haben allerdings ebenfalls Uebersehen und vorgefasste Meinungen der Preisrichter zu Tage gefördert, somit den ungetrübten Eindruck eines allseitig befriedigenden Ergebnisses keineswegs geboten, allein es haben diese Turniere gleichwohl einen wohlthätigen Einfluss auf das Problemwesen hervorgebracht, da die Entscheidungen in der Hauptsache das ernste Bestreben bezeugten, das wirklich Preiswürdigste zu krönen, den auf der Höhe der Zeit stehenden Compositionen die Palme zu reichen, und da diese Turniere in den Preisaufgaben und den nächststehenden Bewerbungen eine Fülle höchst gelungener Schöpfungen zu Tage förderten, die den jeweilig geschehenen Fortschritt im Problemwesen deutlich bekundete.

Diesmal haben wir es jedoch mit einem wesentlich schlechteren und wesentlich anders gestalteten Resultate zu thun. Zunächst hat das Turnier-Comité die Erklärung abgegeben, dass es bei den eingelaufenen 45 Sendungen 36, sage sechsunddreissig, unrichtig befunden und infolge dessen (laut § 9 des Turnier-Programms) letztere von der Concurrenz um die Sendungspreise ausgeschlossen habe. Sodann haben die Preisrichter den correct befundenen 9 Sendungen, welche auffallend wenige hervorragende Erzeugnisse aufweisen, unbekümmert um den Werth derselben, die Preise zugesprochen, so dass es sich nicht mehr darum handelte, ob eine Sendung einen Preis, sondern welchen Preis sie erhalte. Endlich stehen wir diesmal vor einem formell unumstösslichen Resultate, nachdem der bereits angezogene § 9 des TurnierProgramms lautete: ,,Sendungen, die ein incorrectes Problem enthalten, verlieren das Anrecht auf einen Preis; die Entscheidung ist jedoch, wenn einmal veröffentlicht, endgiltig."

Namentlich der letzterwähnte Programmpunkt, dessen Tragweite die Preisbewerber allerdings vorher erwägen mussten, ist es, welcher den Character des ganzen Turniers modificirt. Während der missliche

Umstand, dass einzelne Nebenlösungen oft die vorzüglichsten Sendungen ausser Concurs setzten, schon oft Bedenken erregte und beispielsweise die berühmte Kölner Firma Kohtz u. Kockelkorn gelegentlich des Problem-Turniers der N. B. Sch. Z. zuerst mit Wort und That zur Fürsprecherin einer liberaleren Praxis machte (siehe N. B. Sch. Z. 1867 S. 19), während ferner die Unverlässlichkeit der Beurtheilung Seitens nicht problemkundiger Schachspieler bereits wiederholt zu Versuchen von Abhilfen führte (z. B. Markensystem, Heranziehung der öffentlichen Meinung zur Urtheilsabgabe), wurde hier im Gegentheile die Unterwerfung unter der Correctheitsforderung, unter dem Correctheitsbefund und dem Geschmack bestimmter Preisrichter zur unumstösslichen Voraussetzung gemacht, somit der Versuch, ein allgemein befriedigendes Urtheil zu gewinnen, gar nicht unternommen und vielmehr ein exceptionelles Ergebniss provocirt.

Nicht derjenige, welcher mit seinen Leistungen kraft den von der competenten Kritik gestellten Forderungen die überwiegende Meisterschaft bekundete, konnte auf den oder einen Preis rechnen, sondern das Erlangen eines Preises war sowohl davon abhängig, dass die Probleme dem speciellen Geschmack bestimmter Preisrichter entsprachen und dass sie von letzteren für correct erklärt wurden.

Hiermit war an Stelle des geistigen Turniers eine Art Glücksspiel getreten, in welchem die Gunst der Verhältnisse entschied und in welchem es sich nicht mehr so sehr um die Ehre, als um den Gewinn der Pfunde handelte.

In gewissem Grade wären solche oder ähnliche Betrachtungen schon bei manchem Preisausschreiben am Platze gewesen, hier aber fordern die abnorme Art und das klägliche Resultat des Turniers dringend zu ernsten Erwägungen heraus, denn es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Ergebnisse, wie jene des Palamède - Turniers und des letzten Tur niers der britischen Association in jeder Hinsicht von schädlichem Einflusse sind.

Ich habe daher gerne der von der Redaction der Deutschen Schachzeitung unterstützten Aufforderung eines betheiligten Schachfreundes entsprochen, eine umfassende Kritik des Turnierergebnisses zu produciren.

Die Londoner Herren haben zwar der Kritik in hohem Masse in die Hände gearbeitet, sie haben ausser der Verantwortlichkeit, die

jedem Richteramte inne wohnt, noch die besondere Verpflichtung auf sich genommen, unfehlbar zu sein, da sie sich jeder Möglichkeit, Irrthümer gut zu machen, begaben. Als man daher dem Resultat achtzehnmonatlicher Arbeit (?) den ersten Fehler nachweisen konnte, war bereits der Beweis der Unzuverlässigkeit geliefert.

Dieses selbst herbeigeführte Urtheil würde an sich auch genügen, allein die Kritik soll durch keinerlei Umstände gehemmt sein. Ihr ist ́es hauptsächlich um die Sache zu thun, und je genauer und umfassender sie das Geschehene zu Tage fördert, um so nützlicher wird sie sich für die Folge erweisen.

Was zunächst die Correctheit der Preisaufgaben anbelangt, so haben mir schon mehrere Schachfreunde vorgearbeitet, so dass ich den für die Londoner Jury bedenklichen Satz niederschreiben muss:

Von den publicirten acht preisgekrönten Sendungen haben sich vier nicht völlig correct erwiesen. Es sind folgende:

„Hoc Ardua Vincere Docet" mit dem dritten Preise gekrönt (Nebenlösung zu Nr. 4 mit 1. Dc8-d7:).

,,Alls well that ends well" mit dem sechsten Preise gekrönt.
(Nebenlösung zu Nr. 2 mit Te4--h4).

,,Auf Wiedersehen" mit dem siebenten Preise gekrönt. (Neben-
lösung der Hauptvariante zu Nr. 3 durch 2. Dc7-d7).
,,Ludimus Effigiem Belli" mit dem achten Preise gekrönt.
(Nebenlösungen zu Nr. 3. Es sind überhaupt 5 Lösungen mög-
lich und zwar: 1. Db2-b1, 1. Db2-b5†, 1. Db2-b6, 1. Db2-
b7: und 1. c2-c4t. Ausserdem ist die Nr. 2 dieser Sendung
offenbar zufällig correct, da nur eine mit Kg1 beginnende Lösung
möglich ist, welche den Tg4 vollkommen überflüssig erschei-
nen lässt).

Die Werthabschätzung lässt sich freilich weniger klar kritisiren, allein wenn man bedenkt, dass die Preisrichter nur über acht Sendungen zu sitzen brauchten, so genügen ein paar hervorstechende Missgriffe um ein abfälliges Urtheil zu begründen.

Und man braucht in dieser Hinsicht nicht lange zu suchen. Die Zuerkennung des dritten Preises an 'die Sendung „Hoc Ardua Vincere Docet" beweist, dass die Preisrichter nicht erfahren genug sind, um auf

Originalität zu prüfen oder den Mangel jeglicher Problemidee zu erkennen. Nr. 2 und Nr. 5 dieser Sendung enthalten nämlich Healey'sche und Loyd'sche Ideen, während die Nummern 1 und 3 jeder Problemidee bare Zugzwangspositionen enthalten, in welchen der Autor der Erfüllung der exceptionellen Forderung möglichst vieler Mats in dem Masse näher kam, als er sich von den Anforderungen, die man an eine Aufgabe stellt, entfernte.

Es ist bekannt, dass Healey selbst sein Bristoler Preisproblem in folgender Fassung verjüngte: Weiss. Kc4, Da3, Lb6, Sc6, Ba5, g4; Schw. Ke4, Lf4, Se1. Beɔ̃, g5. (Mat in 3 Zügen durch 1. Sa7.) Dieser einfach schönen Composition gegenüber macht Nr. 2 von Hoc Ardua Vincere Docet" einen traurigen Eindruck.

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Nr. 3 reiht sich jener Gattung von Figur-Abfangespielen an, welche oft recht ungeschickt eine von Loyd in nachstehender Form allein ursprünglich und mustergiltig gebrachte Idee verarbeiten. Weiss. Kf1, Ta8, Lh3, Bg2; Schw. Kh1, Lg3, Sg6, Bh2. Mat in 5 Zügen. Durch 1. Tf8, Sf8:; 2. Lf5, S~; 3. L n. Spr., L~; 4. g2—g4; 5. L‡.

Was die erwähnten Zugzwangsaufgaben Nr. 1 und 3 anbelangt, so kann man nimmer aufrichtiger das vergebliche Bestreben darstellen, einer vorher gebildeten Schlussstellung interessante Einleitungszüge anzuflicken und es macht einen überaus komischen (Autor und Preisrichter kennzeichnenden) Eindruck, dass der Verfasser in Nr. 3 auf g2 einen weissen Bauern postirte, welcher durch seine kleine Bewegung den colossalen Zugzwangsapparat entfesseln und zugleich der Welt die schöne Stellung des Lf3 bei Vorhandensein der weissen Bauern e2 und g2 bieten sollte, ein Schauspiel, welches übrigens auch der Verfasser von „Look after the cáby" in seiner Nr. 3 ähnlich bietet!!!

Ein einziges Problem, Nr. 4 der fraglichen Sendung, vermochte einigermassen zu befriedigen, allein welche Perle müsste dieses sein, um die Schwächen der Brüder vergessen zu machen und die Zuerkennung des dritten Preises zu rechtfertigen.

Einen zweiten Missgriff begingen die Preisrichter damit, dass sie Sendung,,Alls well that ends well" den Vorzug vor jener mit dem Motto

Auf Wiedersehen" einräumten. Abgesehen davon, dass die zweizügige Aufgabe der letzteren Sendung weitaus besser ist (und das Turnierprogramm bedingt die besondere Schätzung guter kleiner Auf-. gaben) hat sich der Autor von ,, Alls well that ends well" die Arbeit

dadurch bedeutend erleichtert, dass er in drei Nummern den schw. König fast blank einer grossartigen feindlichen Uebermacht preisgegeben hat. Derartige Aufgaben stehen, auch wenn sie gut gearbeitet sind (und hier ist nur Nr. 4 gut gearbeitet), hinter anderen Erzeugnissen, in denen bei gleichem Ideenwerthe auf richtigeres Kräfteverhältniss gesehen ist, begreiflicherweise zurück. Ueberhaupt kann sich der Verfasser der Sendung Alls well that ends well" mit jenem der Sendung,, Auf Wiedersehen", was Fähigkeit und Geschicklichkeit anbelangt, nicht messen. Es beweisen das die Nummern 1-3 sowie der Tc8 in Nr. 5 zur Genüge!

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Die erwähnten beiden Missgriffe nun in Verbindung mit der Thatsache, dass die Preisrichter die Sendung,, Ludimus Effigiem Belli" für Turnier- und druckfähig hielten, genügen vorläufig vollständig, was die Beurtheilung des Werthes der Sendungen anbelangt, zu bezeugen. Ich werde übrigens auf die Preisaufgaben noch eingehender zu sprechen kommen und zwar umsomehr, als sich hierzu nach vollständig geschehener Zuerkennung der Einzelpreise genug Veranlassung bieten wird.

Vorher muss ich noch eine andere Angelegenheit zur Sprache bringen, welche vielleicht eine theilweise pikante Aufklärung über die immense Zahl von 36 incorrecten Sendungen zu bieten vermag. Die Westminster Papers veröffentlichten nämlich gegen Ende vorigen Jahres folgenden Beschluss des Londoner Turnier-Comité's:

„Ein Problem gilt für unrichtig, wenn dasselbe in irgend einer Variante auf irgend einen Zug des Schwarzen mehr als einen Gegenzug gestattet, jedoch mit der Einschränkung, dass dieser Umstand keine Incorrectheit bedingt, wenn die Gegenzüge des Weissen zugleich mat geben."

Das Comité hat sonach in nachträglicher, willkührlicher Verfügung das herrschende Gesetz, demzufolge Probleme nur dann incorrect sind, wenn sie zu den Autorlösungen oder zu den Haupt(Idee-) Varianten Nebenlösungen zulassen, dahin erweitert, dass auch Nebenlösungen zu Nebenvarianten die Verwerfung eines Erzeugnisses (beziehentlich der Sendung) als incorrect bedingen. Nur bei zweizügigen Aufgaben machte man eine Ausnahme, da jeder dual move zugleich der Matzug wäre.

Jeder problemkundige Schachspieler aber weiss, dass Doppelzüge in untergeordneten Varianten gewöhnlich unvermeidlich sind und dass sie gerade in tiefangelegten Erzeugnissen vorkommen werden. Dem

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