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Zur Problemkunde.

Von E. PAULS.

V. Oekonomie der Mittel und Verwerthung des weissen Königs im directen Mat.

Im Octoberhefte 1875 fasst Herr Dr. Schwede das Gesetz von der Oekonomie der Mittel in folgende Paragraphen :

§ 1. In der Matstellung des Hauptspieles sollen alle auf dem Brete vorhandenen weissen Officiere mitwirken.

§ 2. Man soll nicht hochwerthige Figuren statt geringwerthiger aufstellen, wenn der Plan des Ganzen die Anwendung letzterer gestattet. *

Der § 1 dürfte in Bezug auf die Verwerthung des weissen Königs einer präciseren Fassung bedürfen. Streng genommen ist in dem vorliegenden Wortlaute auch die Mitwirkung des weissen Königs, als des höchsten Officiers, gefordert. Eine derartige Forderung dürfte indess kaum in der Absicht des Herrn Verfassers gelegen haben. Alle Componisten haben bisheran je nach Belieben den weissen König mitwirken lassen oder ihm eine indifferente Rolle angewiesen. Die Richtigkeit dieser Sitte ist leicht zu begründen. Lehner sagt: ,, Die gemeinschaftlichen Factoren, welche die Basis des Problemwesens mit der Basis des lebenden Spieles verbinden, müssen unbedingt und im strengsten Sinne des Wortes gewahrt bleiben. Diese Factoren sind Gleichheit des Bretes, der in der Partie vorkommenden Figuren, der für diese geltenden Elementargesetze u. s. w.

Zu diesen Factoren gehört auch das Vorhandensein des weissen Königs. Da nun jede Pflicht ein Recht in sich schliesst, da im Gegensatze zu der Wahl aller anderen weissen Figuren die Wahl

*Es wäre zu wünschen, dass recht bald die bisherigen Anforderungen an gute Probleme in derartige Fassung gebracht würden. Die knappe Paragraphenform erleichtert ungemein das Verständiss und vereinfacht die Sachlage.

XXXI.

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des weissen Königs vom Belieben des Componisten unabhängig ist, so muss andrerseits die Rolle des weissen Königs dem Belieben des Problemverfassers anheim gestellt sein. Die Schwede'schen Paragraphen dürften daher einen Zusatz in diesem Sinne als zweckmässig erscheinen lassen. Etwa in § 1 nach sollen" einschalten: „vorbehaltlich der Bestimmung in § 3", welche lauten würde:

§ 3. Eine Mitwirkung des/weissen Königs bei den Matstellungen der Aufgabe ist in das Belieben des Componisten gestellt.

Spielt der weisse König die Rolle des Zuschauers, so ist seine Stellung nichts weniger als willkührlich zu wählen. Hier kommt zunächst das Lehner'sche Gesetz über das Terrainverhältniss in Betracht, wonach das ursprüngliche Verhältniss der Parteilager von Weiss und Schwarz möglichst zu berücksichtigen ist. Gerade hier, und vielleicht hier am meisten, ist der Anklang an die Schachpartie ein Hauptfactor. Eine Aufgabe kann vorzüglich sein und doch vom Standpunkte des Partienspielers aus betrachtet eine höchst unwahrscheinliche Position bieten.

Ist indess ohne Gefährdung anderer Vorzüge eine mehr wahrscheinliche Stellung zu ermöglichen, so dient dies gewiss nur zur Erhöhung der Schönheit. Die Aufgabenkunst betrachtet zwar im strengen Sinne das Problem nicht als das Endspiel einer wirklich gespielten Partie, sie bindet indess den Componisten mit grosser, wenn auch nöthiger Strenge an die Regeln der gewöhnlichen Partie. Daraus resultirt der merkwürdige Umstand, dass eine Aufgabe factisch für das gehalten wird, was sie theoretisch nicht ist das Ende einer Schachpartie. Hieraus resultirt weiter, dass es ein Schönheitsgesetz ist, dem factischen Sachverhalte unter Umständen, wenn andere Vorzüge nicht auf dem Spiele stehen, Rechnung zu tragen.

In der S. 99 oben stehenden, bereits im October v. J. behandelten Aufgabe steht der weisse König auf f1.

Ohne Schädigung der Lösbarkeit und Matreinheit könnte er ebenso gut auf h1, g1, c1, al und a2 stehen. Selbst wenn es sich

*Beispiel. Eine Aufgabe mit w. Läufer auf h1 und w. Bauern auf g2 ist werthlos, obschon es im practischen Spiele häufiger dagewesen ist, dass zur Vermeidung theoretischer Einflüsse von vornherein der Thurm auf f1 und der Läufer auf h1 postirt wurde.

Schwarz.

魚豆

Weiss.

Mat in zwei Zügen.

mit der Lösbarkeit des Problems vertrüge, würde es ein grosser Fehler gegen die Schönheit sein, den König auf eine der letzten vier Reihen des Bretes zu postiren. Verfehlt wäre ferner seine Stellung auf h3, da die unumgängliche Abwehr des Springerschachs auf f4 zu nahe läge. Der Componist hatte also die Wahl einer Postirung auf die Königs- oder die Damenseite. Vielleicht wäre die Wahl des Damenflügels vorzuziehen gewesen. Die Position als Endspiel aufgefasst, so beruht die scheinbare Stärke und einzige trügerische Hoffnung von Schwarz auf seinen auf der Damenseite postirten Figuren. Auf f1 steht der König ausser aller Gefechtslinie, der schw. Thurm kann ihm erst im dritten Zuge ein Schach bieten, der schw. Läufer gar nicht, Springer e7 müsste, um ihn zu bedrohen, eine Matdeckung aufgeben. Stände dagegen der König auf c1, so drohten ihm:

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Sind auch diese Gefahren nur scheinbare, so erhöhen sie doch in etwa die Schwierigkeit der Aufgabe, da ihre Möglichkeit vom Löser erwogen werden muss.

Es bedarf schliesslich wohl kaum der Andeutung, dass derartig minutiöse Untersuchungen nur bei so vorzüglichen Problemen, wie es Preisprobleme der Meister sind, in Anwendung kommen können. Bei minder hervorragenden Aufgaben sind der kleineren Mängel so viele, dass man über dem Balken gern des Splitters vergisst.

VI. Gleiche Problemidee im directen und Selbstmat.

Unter IV im Octoberhefte wurde darauf hingewiesen, dass die hohe Vollendung des directen Mat für das Selbstmat unerreichbar sei und schwerlich dürfte diese Behauptung jemals von irgend einer Seite Widerspruch erfahren. Aus der Inferiorität des Selbstmat resultirt ferner die Schwierigkeit, eine Problemidee des directen Mat in das Selbstmat zu übertragen. Trotzdem giebt es einzelne Aufgaben im Gebiete des directen Mat, welche sich ohne grosse Mühe in die Form des Selbstmat einzwingen lassen. Das Juniheft 1858 dieser Zeitung brachte eine Aufgabe von Loyd als Titelposition, welche damals einiges Aufsehen erregte und in verbesserter Form durch Hinzufügung eines schwarzen Bauern auf h4 auch in der Kohtz-Kockelkorn'schen Aufgabensammlung erwähnt wird (S. 156).

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Die Lösung wird in 14 Zügen dadurch erreicht, dass der weisse König in 13 Zügen bis h4 wandert, worauf 14tens Thurm h3-g3 Schachmat setzt.

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Ich legte mir auch aus einem unten näher angegebenen Grunde die Forderung vor, diese Idee annähernd in das Selbstmat zu übertragen, dabei aber zwei Mängel der Loyd'schen Aufgabe zu vermeiden. Die Loyd'sche Matstellung ist nicht rein und kann. der weisse König bei der Wanderung von b8 nach h4 ebensowohl über c7-d6-e7-f8, als über c7-d8-e7-f8 nach h4 gelangen.

Nach einiger Mühe fand ich zwei Nachbildungen, deren erste ich für die schwierigere, deren zweite ich für die gelungenere halte. Indem ich mir erlaube, die beiden von mir componirten Gegenstücke zur Kenntniss der Schachfreunde zu bringen, hoffe ich, dass eine nähere Prüfung die Correctheit meiner Aufgaben begründen möge.

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I.

Weiss. Kh3, Db5, Ta4-d1, Lh1-f6, Sc3-h2 Be5-d6.
Schwarz. Ke3, Lg1-h5, Se2-d3, Bd7.

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Während in Nr. 1 der weisse König nur 8 Schritte macht, zieht

er in Nr. 2 (wie bei Loyd) nicht weniger als dreizehn Mal.

II.

Weiss. Kal, Dd7, Te2-g5, Lc7, Se8-a4, Ba2-b5-c2-d3—f6. Schwarz. Kd5, La5-f5, Sd6, Bb6-a3-c3-d4.

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Zur Darstellung dieser vielzügigen Probleme veranlasste mich, wie bereits angedeutet, noch ein anderer Grund. Im Octoberhefte 1875 S. 291 hatte ich nämlich behauptet, die Composition vielzügiger Aufgaben erfordere viele Zeit. Da ich nie vielzügige Probleme componirt habe und wahrscheinlich auch nie wieder verfassen werde, machte mir die aufgestellte Behauptung nachträglich einige Bedenken. Ich beschloss durch den Versuch festzustellen, ob wirklich vielzügige Aufgaben zur Darstellung viele Zeit erforderten. Nr. 1 der obigen Probleme hat 3-4 Stunden, Nr. 2 dagegen nur eine Stunde gekostet. Nach meinen Erfahrungen kann ich also die aufgestellte Behauptung

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