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ohne alle Fehler wären, der müßte aus der Welt gehen. Andere sehen unsere Fehler weit besser als wir selbst. Gleichwie uns Andere mit ihren Fehlern und Schwachheiten lästig sind, so sind auch wir mit unsern Fehlern und Schwachheiten Andern lästig. Was ihr aber wollt, daß man euch thue, das thut auch Andern. Ihr wollt, daß man mit euern Fehlern Geduld trage; das thut auch Andern. Fodert es die Pflicht, daß ihr die Fehler eurer Untergebenen ahnden müßt, so thut es nicht mit Bitterkeit, nicht mit Schimpfworten, nie im Ausbruch des Zorns, sondern mit Ernst und Liebe, in der guten Absicht, sie zu bessern, nicht zu verderben, das Herz des Fehlenden zu gewinnen und nicht zu erbittern. Uebertraget einander mit Liebe und haltet sorgfältig auf Eintracht und Frieden.

Auf solche Art, wenn ihr aus Liebe zu Gott euch geduldig in euer Loos ergebt und euer Kreuz ohne Murren tragt, und wenn ihr aus Liebe zu euerm Nächsten sanftmüthig mit euern Mitmenschen umgeht, und ihre Schwächen ohne Aerger ertragt, werdet ihr wahre Kreuzträger und Nachfolger Jesu Christi sein, und in dieser, sowie in der andern Welt den Frieden und die Ruhe eurer Seele ge= genießen. Amen.

Frühlehre auf den achtzehnten Sonntag
nach Pfingsten.

Erzählung und Lehre aus dem heutigen
Evangelium.

Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben."

Matth. 9, 2.

Ich soll euch, meine Christen! als christlicher Prediger nichts Anders als das Wort Gottes predis gen, und ich will auch nichts Anders und werde auch nichts Anders thun, so lang ich zu predigen im Stande bin.

Ihr habt, meine Christen! so eben aus dem heutigen Evangelium gehört, daß Jesus einen Gichtbrüchigen geheilt habe. Diese Begebenheit ist merkwürdig und lehrreich, darum werde ich diese Begebenheit zuerst ganz kurz erzählen und dann das Lehrreiche für uns herausnehmen. Vernehmet also: 1) Die Erzählung.

2) Das Lehrreiche.

Diese zwei Stücke sind es also, meine Christen! worauf ihr eure Aufmerksamkeit zu richten habt.

1.

Das heutige Evangelium erzählt uns von einem Gichtbrüchigen, welchen der liebevolle Heiland durch

seine allmächtige Wunderkraft sowohl am Leibe als auch an der Seele geheilt hat, da er ihm nicht nur die leibliche Gesundheit ertheilte, sondern auch seine Sünden nachließ.

Diese wunderbare Heilung geschah in der Stadt. Kapharnaum, wo sich Jesus während seines Lehramts gewöhnlich aufhielt. Der Heiland kam soeben mit seinen Jüngern auf einem Schiffe vom jenseitigen Ufer des galiläischen Meeres nach Kapharnaum zurück und ging in das Haus des Petrus hinein. Kaum wurde die Ankunft des Heilandes in der Stadt bekannt, so versammelte sich auch schon eine solche Menge theils gesunder, theils kranker Menschen, daß sie in dem Hause, worin Jesus war, gar nicht Plaz hatten, sondern ganz gedrängt aneinander weit bis auf die Straße hinausstanden.

Kranke und presthafte Menschen, die schon lange Zeit her nie den freien Himmel gesehn hatten, oder die wegen ansteckender Krankheiten aller menschlichen Hülfe beraubt waren, oder Kranke, von denen man frühmorgens gewiß geglaubt hätte, sie könnten den Abend nicht mehr erleben: diese wurden jezt Alle von ihren Freunden und Verwandten zu dem Hause, wo sich Jesus aufhielt, hingeführt oder hingetragen.

Unter diesen Kranken war auch ein Gichtbrüchiger, d. i. ein Mensch, der durch einen Schlagfluß an allen Gliedern gelähmt war, daß er weder stehen,

noch sigen konnte, sondern beständig auf einem Bette liegen mußte. Weil aber die vier Männer, von denen dieser Kranke getragen wurde, vor der Menge der Leute sich in das Haus nicht hineindrängen konnten, so stiegen sie auf das obere oder flache Hausdach, machten da eine Deffnung und ließen den Kranten sammt dem Bette in das Zimmer hinab, wo Jesus war.

Da lag nun der elende Mensch auf seinem Bett ganz abgehärmt und nicht einmal im Stande, sich nur im Geringsten zu bewegen und den Heiland mit aufgehobnen Händen, wie es sich gebührt hätte, um Hülfe zu bitten. Aber Jesus ließ sich nicht lang bitten, sondern sobald er das Vertrauen des Gichtbrüchigen sah, erbarmte er sich seiner sogleich, und redete ihn mit den liebreichen Worten an: „Sei getrost, mein Sohn, Deine Sünden sind Dir vergeben."

Aber wie, meine Christen! Der Gichtbrüchige hatte ja vom Heiland nicht Verzeihung seiner Sünden, sondern nur die Gesundheit seines Leibes verlangt; warum hat ihn denn Jesus zuvor mit der Vergebung seiner Sünden getröstet, ehe er ihm die verlangte Gesundheit ertheilte? Das heißt trösten - die Sünden vergeben; denn gerade diese haben den Gichtbrüchigen am meisten geängstigt, gerade diese seine Sünden hatten ihm die Krankheit zuge=

zogen. Der Kranke konnte also wohl kein tröstlicheres Wort aus dem Munde Jesu hören als: „Deine Sünden sind Dir vergeben." Gleichwie ein verständiger Arzt, wenn er einen Kranken gesund machen will, zuerst die Ursache der Krankheit wegräumen muß, ebenso befreite auch Jesus den Gichtbrüchigen zuerst von seinen Sünden, welche die einzige Ursach seiner Krankheit waren, ehe er ihm die verlangte Gesundheit des Leibes ertheilte.

Nun habe ich euch, meine Christen! die wunderbare Heilung des Gichtbrüchigen im heutigen Evangelium erzählt; jezt werde ich euch nur noch kurz sagen: was wir daraus zu lernen haben.

2.

Die wunderbare Heilung des Gichtbrüchigen im heutigen Evangelium erinnert uns an die große Wohlthat der Gesundheit, die wir schon so viele Jahre genießen, und für die wir vielleicht noch nie Gott dem Herrn gedankt haben. Die Gesundheit ist unter allen zeitlichen Gütern, die der Mensch besigt, das erste und vornehmste Gut. Sie übertrifft allen Reichthum, alle Macht und Ehre; denn hättest du auch Geld genug und Ueberfluß an allen Sachen, was würde es dir nügen, wenn du immer krank wärest und im Bett liegen müßtest? Dem armen,

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