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sondern sie verschafft uns vielmehr die größten Freu= den und vermehrt alle übrigen wahren Freuden, ja ohne Tugend gibt es gar keine wahre Freude.

Die Tugend, oder wollen und thun, was Gott will, verschafft uns inneren Frieden, gibt uns Gewissensruhe, und diese Ruhe und dieser Friede sind mehr werth als alle Güter der Erde. Die Tugend schenkt uns die Hoffnung zu Gott und das Vertrauen zu ihm. Und diese Hoffnung, dieses Vertrauen ist mehr werth als alle Güter der Erde. Die Tugend erquickt uns mit dem schönen Gedanten: Gott ist dein Freund, und wenn Gott für dich ist, wer ist dann wider dich! Und dieser aus Gott geborne und zu Gott führende Gedanke ist mehr werth als alle Freuden der Erde.

Wenn wir nicht wollen und nicht thun, was Gott will, in dem Irrthum, als wenn uns die Tugend traurig und elend machte, so werden wir uns durch Unmäßigkeit, durch unbändigen Zorn, durch thörichten Neid, durch Hochmuth, durch Trägheit in unsern Geschäften an Leib und Seele elend machen, während uns die Tugend vor all diesem Elend bewahrt oder befreit hätte. Fragen wir uns selbst redlich, meine Christen! was uns traurig und elend macht, und wenn wir nur ein einziges Mal mit Grund sagen können: „Ich bin traurig und elend, weil ich wollte, was Gott will," wenn wir das nur

ein einziges Mal mit Grund sagen können: so will ich nichts dagegen haben, wenn man das Evangelium als ein Fabelbuch verachtet, und die Tugend als eine Feindin des menschlichen Geschlechts verabscheut. Allein nicht die Tugend, sondern der Mangel an Tugend macht uns traurig und elend.

Die Tugend macht uns nicht traurig, sie macht vielmehr, daß wir noch ruhig und getrost bleiben können, wo jeder Andre äußerst elend und trostlos sein würde.

Nachdem Job alle seine zeitlichen Güter verloren hatte, war er etwa deßwegen traurig uud elend, weil er fromm war, weil er wollte, was Gott ge= wollt hat? Eben weil er von Herzen fromm war, so konnte er in diesem Jammer, wo jeder Andre trostlos gewesen wäre, getrost sagen: „Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, der Herr kann's wieder geben, der Name des Herrn sei gebenedeit!"

Als der ägyptische Joseph von seinen Brüdern verkauft und hernach von seinem Herrn in den Kerker geworfen wurde, war er etwa deßwegen traurig und elend, weil er wollte, was Gott wollte? Seine Tugend hat ihn vielmehr getröstet, und er hatte in seinem Kerker höhere Freuden als mancher König auf seinem Thron. Also nicht die Tugend macht traurig, sondern sie tröstet noch, wo nichts Anders mehr trösten kann.

Als Maria neben dem Kreuze stand, war ste etwa deßwegen traurig und elend, weil sie wollte, was Gott gewollt hat? Nein, gerade der Gedanke: „Sieh' ich bin eine Dienerin des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort," gerade dieser Gedanke hat sie gestärkt, daß sie unter dem Kreuze stehen und leiden konnte, wie Jesus. Also nicht die Tugend macht traurig, sondern sie labt das Herz mit Trost in der größten Traurigkeit.

Wollen und thun, was Gott will, oder tugendhaft sein, macht uns nicht traurig, sondern gibt uns allein eine Freude, die unvergänglich ist. Die Tugend ist, wie Jesus sagt, ein Schaß, den uns kein Dieb rauben, kein Feuer verzehren und kein Rost fressen kann.

Die Ehre kann dir ein Bösewicht rauben, wenn er heimtückisch und wißig genug ist, dich zu lästern und die Lästerung wahrscheinlich zu machen. Aber die Freude deines Herzens, deine Pflicht und Schuldigkeit gethan zu haben, diese Freude kann dir kein Mensch und kein Satan rauben.

Dein zeitliches Gut kann dir ein Dieb nehmen, die Wasserfluth wegschwemmen, der Hagel vernichten, die Theurung fressen, der Krieg verschlingen; aber die Freude deines Herzens, zu wollen und zu thun, was Gott will, diese Freude kann dir kein Dieb, keine Wasserfluth, kein Hagel, keine Theurung und kein Krieg rauben.

Die sinnlichen Freuden, welche so viele und so eifrige Liebhaber finden, kann dir ein Fieber verbittern, und alle zeitlichen Freuden, Gesundheit und Leben, nimmt dir heut oder morgen, früh oder spät, am Ende doch der Tod. Aber die Tugend fürchtet kein Fieber, scheut Tod und Verwesung nicht, und tröstet dich noch, wenn das Aug erlischt, und bleibt in dir, wenn dein Leib modert, und geht mit dir in die Ewigkeit, und verschafft dir Gnade vor dem Richterstuhl Gottes, und begleitet dich in den Himmel, und fangt in der Ewigkeit mit dir ein neues Leben an, und lebt die ganze Ewigkeit mit dir. Also macht uns die Tugend nicht traurig, sondern ste gibt uns eine Freude, die auch dann noch bleibt, wenn alle übrigen Freuden verschwinden.

Aber eine andere irrige Meinung, die viele Menschen von der Tugend haben, ist diese: die Tugend, sagen sie, taugt nicht in die Welt. Allein wollen und thun, was Gott will oder tugendhaft sein, macht uns tauglich und brauchbar für diese und die andre Welt, wie ihr sogleich hören werdet.

2.

Der Tugendhafte taugt nicht für diese Welt, heißt es oft, wozu also die Tugend, wenn wir ste hier für dieses Leben nicht brauchen können? Diese Meinung betrügt viele Freunde der Welt; um es

mit der Welt nicht zu verderben, lassen sie es die Tugend entgelten. Allein diese Meinung ist grundfalsch, und wenn Etwas wahr ist, so ist's dieß: Niemand taugt besser für dieses Leben, für die Welt, als ein Mensch, der will und thut, was Gott will, d. h. der wahre Tugend befigt.

Die Welt liebt doch den Schein der Rechtschaffenheit. Nun, wer kann diesen Schein von Rechtschaffenheit besser behaupten, als der die Sache selbst besigt, der die Rechtschaffenheit im Herzen hat? Der Tugendhafte taugt also in die Welt. Denn da es in der Welt viele Menschen gibt, die ihre Pflichten ohne Scheu übertreten, so sehen wir es gewöhnlich doch gerne, daß es Menschen gibt, die ihre Pflichten genau erfüllen.

Die Welt ist unbeständig wie das Wetter; den sie heute ehrt, den lästert sie morgen. Wer also in die Welt taugen will, der muß sich in die Unbeständigkeit und Veränderlichkeit der Menschen schicken können, und dazu taugt offenbar Niemand besser als der Tugendhafte. Er sieht in sein Herz hinein und findet es rein, und sagt zu sich selbst: das gehört zu dem Uebrigen, es wird schon wieder heiter werden, was jest trübe ist.

Nur einen Fall gibt es, wo der Tugendhafte nicht in die Welt zu taugen scheint. Aber er taugt doch in die Welt, wenn er schon nicht allen Men

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