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in jedem Augenblicke des Artikels, wenn sie von einer Sache reden, von welcher sie wissen oder glauben, dass sie der Andere kenne, von welcher sie annehmen, dass der Andere verstehe, welchen sie meinen. Welche Schwierigkeit findet man also darin, Kindern den Begriff des Bekanntseins zu verdeutlichen? Will man alsdann auf der höheren Stufe ausführen, dass der so als bekannt gesetzte Gegenstand eben dadurch von andern ihm gleichen oder ähnlichen unterschieden, dass er als dieser, als Individuum bezeichnet sei; will man hinzufügen, dass der sogenannte unbestimmte Artikel (ein, eine, ein) das Individuum als solches unbestimmt lasse und nur auf die Gattung deute, zu welcher es gehört; will man bemerklich machen, dass das Substantiv, wenn es ohne allen Artikel gesagt wird, den Gegenstand nur von Seiten seines gedachten, d. h. qualitativen Werthes und Wesens, oder seines quantitativen, numerischen Verhaltens vorstelle (ein Unterschied, der in denjenigen Sprachen, welche keinen Artikel haben, nicht zum Ausdruck gelangt): so wird man hiermit jene anfängliche einfache Kenntniss erweitern und vervollständigen, aber nicht zu der SisyphusArbeit genöthigt sein, sie zu berichtigen, zu bekämpfen, zu vertilgen.

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Drittens Was stellt man sich unter dem Geschlechte, unter dem Genus vor, wenn man voraussetzt, dass dies den Kindern ohne Weiteres verständlich sei? Das Genus ist ein Flexions-Verhältniss. Es beruht auf der formalen Bildung und Gestaltung der Nomina, welche und in so weit sie sich zu dem Unterschiede der Declination entwickelt. Im Deutschen bildet das Masculinum nebst dem ähnlichen Neutrum die starke, das Femininum die schwache Declination. Im Griechischen und Lateinischen ist die dritte Declination die der Stämme, die erste und zweite umfassen die in der einen oder andern Richtung gehenden Ableitungen. In den romanischen Sprachen kommen, da die Casusformen aufgegeben sind, nur noch die unterschiedenen Pluralbildungen in Betracht. Im Französischen sind auch diese, da sie (mit den wenig zahlreichen Ausnahmen auf x) alle auf s ausgehen, zu einartigen geworden. Wenn trotzdem da noch von einem Genus die Rede ist: so ist es, eine aus den

Archiv f. n. Sprachen. XXXI.

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übrigen romanischen Sprachgliedern herübergenommene, mit Rücksicht auf die Adjectiva und Participia, denen der FlexionsUnterschied zum Theil noch im Singularis (z. B. grand, grande) anhaftet, aufbewahrte Erinnerung. Im Englischen und Ungarischen, wo die Declination oder vielmehr Pluralbildung gleichfalls eine einartige ist, verschwindet das Genus in der That gänzlich. Auf ähnliche Weise verhält es sich mit dem Genus in den slawischen und orientalischen Sprachen, worüber man sich aus Bopp's vergleichender Grammatik des Weiteren belehren kann. Das Flexions-Verhältniss, welches seinen Ausdruck in dem Genus findet, ist also eine Sache, deren Bekanntschaft sich bei den Kindern begreiflicher Weise nicht voraussetzen lässt, deren Behandlung im Gegentheil, auch wenn man sie noch so sehr vereinfacht, eine weit grössere Umständlichkeit erfordert als die oben dargelegte Verdeutlichung des Artikels. Die Erklärung des Artikels, den Kindern gegenüber, für schwierig, die des Genus hingegen für leicht oder gar selbstverständlich halten verräth eine unklare Auffassung des Einen wie des Andern. Freilich, wenn man in Betreff des Genus die Bezeichnungen „,masculinum, femininum, neutrum" oder „männlich, weiblich, sächlich" zum Maassstabe nimmt: so kann man sich wohl darauf berufen, dass die Kinder allerdings wissen, was ein Mann, eine Frau und etwa auch eine Sache sei. Auch die Griechen unterscheiden das γένος als ἀρσενικόν, θηλυκόν und ovdétegor; bei den Indern heisst das Neutrum, dem Manne und Weibe gegenüber, noch weit ausdrucksvoller sogar der Eunuche. Aber diese Bezeichnungsweise ist eine ganz ungehörige, den grammatischen Verhältnissen ganz unangemessene und fremdartige. Sie rührt von den orientalischen Grammatikern her, deren phantastischer Sinn die Unterschiede des sinnlichen, natürlichen Geschlechtes auf die Unterschiede der Wortgestalten übertrug und bildlich diese nach jenen bezeichnete. Auch passen diese Bezeichnungen, die den Sexus (das Naturgeschlecht) angehen, überhaupt nicht zu dem Ausdrucke yévos oder Genus, und eben so ungehörig ist es, diesen Ausdruck mit „, Geschlecht" zu verdeutschen. Genus bedeutet nicht das, was wir insge mein unter „Geschlecht" verstehen. Es bedeutet „Art" und bezieht sich auf die Bildung und Gestaltung des Wortes, auf

die grammatische Form und Beweglichkeit des Nomens und Verbums. Denn auch die activen, passiven und medialen Formen des Verbums heissen dessen Genera. Es ist bekannt, zu welchen abenteuerlichen Vorstellungen sich Manche durch jene bildlichen, gar nicht ernst gemeinten Bezeichnungen haben verführen lassen. Da sollen Sonne und Mond, da sollen Tisch und Bank (man denke beiläufig an das französische le soleil und la lune, la table und le banc, die das entgegengesetzte Geschlecht zeigen) ihr Genus dem männlichen und weiblichen Charakter ihrer natürlichen Beschaffenheit zu verdanken haben, da bemüht man sich auf die abgeschmackteste Weise, diesen Charakter in dieser Beschaffenheit erkennen und nachweisen zu wollen.

Yor solchen Erwägungen wird jenes pädagogische Bedenken sich wohl in Nichts auflösen.

Wie sollte übrigens die Sprache dazu kommen, zum Ausdruck einer Erscheinung und Beziehung, die gar nicht den Inhalt, sondern lediglich das Wort nicht einmal das Wort, sondern bloss die Form und Haltung des Wortes angeht, ein eigenes, selbständiges Wort einzusetzen! Wenn der Artikel

in diesem Verhältnisse zum Genus stände: so hätten auch Casus und Numerus, auch Modus und Tempus Anspruch auf dergleichen aparte Wörtlein, und mit weit grösserm Rechte; denn sie betreffen doch noch den Inhalt selbst, was das Genus eben nicht thut.

Endlich findet man an dem Artikel auszusetzen, dass dies ein fremdes Wort sei. Man findet es wünschenswerth, ein deutsches dafür zu haben. Sehr wohl. Aber doch nicht um jeden Preis, doch nur, wo es mit Ehren und Verstand geschehen kann. Es ist wahr, fremde Ausdrücke bedürfen der Erklärung; aber Verdeutschungen, die etwas ganz Anderes zu verstehen geben als was gemeint ist, bedürfen deren noch weit mehr und führen das Uebel mit sich, dass sie die Erklärung doch immer wieder vergessen machen, indem sie uns doch immer wieder ihren fremdartigen Sinn aufdrängen und dadurch zu Irrtümern und Verkehrtheiten treiben. Ueberdies ist das Wort „Artikel" trotz seiner fremden Herkunft (articulus) in der

bei uns üblichen Form und Endung längst kein fremdes mehr. Es ist kein schlechteres deutsches Wort als Muskel (musculus), Zirkel (circulus), Insel (insula), Regel (regula), Spiegel (speculum) u. a. Was will man also davon?

G. L. Staedler.

Sitzungen der Berliner Gesellschaft

für das Studium der neueren Sprachen.

65. Sitzung, den 25. Februar 1862. Herr Pröhle referirt 1) über den im zweiten Jahrgang des Preussischen Jahrbuches enthaltenen Aufsatz von L. Wiese: Das höhere Schulwesen in Preussen; 2) über das vierte Heft der Findlinge, von Hoffmann von Fallersleben; 3) über Germania, Beiträge deutscher Dichter und Dichterinnen, Berlin, 1861; 4) Das Haus zum Pelikan in Regensburg, von Neumann, Regensburg, 1862; 5) die Thierwelt, von Masius, Essen, Bädeker, 1861; 6) Lebensweise und Fauna der besonders in Deutschland einheimischen Jagdthiere; 7) Hanne Nüte un de lütte Pudel, von Fritz Reuter. Gelegentlich eines aus letzterer Schrift mitgetheilten Bruchstücks erhebt sich eine von Herrn Strack eröffnete Debatte über den hochdeutschen Anstrich des darin angewendeten Plattdeutsch. Herr Pröhle ist dagegen der Meinung, dass Fritz Reuter gerade darin eine hohe Meisterschaft bekunde, wie er im Munde des Ungebildeten Hoch- und Plattdeutsch sich mischen lasse. Herr Reymond liest den zweiten Act

seines Lustspiels: les Faiseurs.

Die

Herr Leo theilt nach der dänischen Uebersetzung des Saxo grammaticus von Wedel die Quelle des Shakspeare'schen Hamlet mit. Prüfung, wie sich dieselbe im englischen Dichter gestalte und was sich aus derselben für die Charakteristik des englischen Hamlet ergebe, behält er einem spätern Vortrage vor.

Herr Mahn spricht über einige auf stock endigende Namen von Städten auf ursprünglich slawischem Boden: Rostock, Wittstock, Bialystock und deutet sie, nach vorgängiger Widerlegung früherer Erklärungen aus der slawischen Wurzel des zweiten Bestandtheils Fliessendes als: Auseinanderfliessendes, Hochfliessendes, Weissfliessendes, indem er zugleich die Richtigkeit seiner Herleitung aus der respectiven geographischen Lage motivirt. Er bittet schliesslich, ihm eben so endende Namen von Orten auf jetzt oder einst slawischem Gebiete zu fernerer Deutung angeben zu wollen.

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